I bims satt – nicht noch 1 Jugendwort
Seinem Gegenüber sagt man nun schneller „Danke, dass du das für mich gemacht hast“: „Du Ehrenmann!“ Aus dem Regal geholt und abgestaubt: Der Ehrenmann wurde schon in den Achtzigern von den Toten Hosen besungen. Neu ist das Jugendwort des Jahres 2018 nicht. Auch wenn die Deutsch-Rapper Bushido, Kay One und Haftbefehl den Kavalier in ihren Zeilen verwenden.
Verlag verdient, nicht die Teilnehmer
Das Voting ist leider eine erfolgreiche Geschäftsidee, die die Sprach-Entdecker im Verlag entwickelt haben: Andere denken lassen, um jährlich ein neues Lexikon zu veröffentlichen. Frei Haus liefern Sondersprachler ihre Kreationen. Die Community darf nominieren, die Jury wählt aus der Top 10 aus. Das Geld für die Neuauflage geht nach München. Ehrenmänner und -frauen sitzen da nicht. 700 Wörter, die zum Teil aus den Vorjahren stammen, stehen in der neuesten Version des Jugendwörter-Nachschlagewerks. Als Verständigungshilfe für Erwachsene.
Beeinflussung statt Dokumentation
Es ist absurd, dass Erwachsene Jugendwörter wie eine Fremdsprache lernen: Sie freuen sich, fühlen sich endlich wieder jung und versuchen die lange Liste in ihren eigenen Wortschatz zu übernehmen. Nur um nicht von einer weniger alten Generation abgehängt zu werden. Auch, wenn diese sie damit noch viel weniger versteht.
Der Wettbewerb dokumentiere die Sprachentwicklung junger Menschen. Vor allem aber beeinflusst die Aktion den natürlichen Wandel: Erst nach der Verleihung kennen viele Leute die neuesten Schöpfungen aus der Linguistik. Die nominierten Wörter nutzen selbst die Jugendlichen meistens nicht – das zeigen Straßenumfragen sämtlicher Medien, die sich wie beim Ausverkauf auf die gekürte Vokabeln stürzen. Die Google-Suche ergibt Artikel statt Definitionen.
Fragwürdige Auswahl
Kreativität, Originalität, Verbreitungsgrad, gesellschaftliche und kulturelle Ereignisse sind die Kriterien. Was war das für eine Gesellschaft, in der 2008 feiernde Menschen über 30 eine Gammelfleischparty darstellten? Kreativ, originell, verbreitet und kulturell relevant. Niveaulimbo – die Antwort aus 2010 passt.
Ein Vorschlag für die nächste Wortwahl: Lieber lindnern. Lieber nicht wählen, als schlecht wählen und einfach quatschen lassen.