02. Jan. 2025

Programmstreichungen, Einsparungen und Sendungsbezug – so unsexy wie es klingt, ist es auch: Der erste Entwurf des Reformstaatsvertrags ist beschlossen worden! Was ursprünglich den öffentlich-rechtlichen Medien helfen sollte, ist völlig nach hinten losgegangen. 

„Was ist hier los?“, steht in weißen Buchstaben auf einer schwarzen Kachel in einem Instagram-Post. Nach kurzer Verwirrung lüftet der zweite Slide das Geheimnis: Die Rundfunkkommission der Länder plant, mit dem neuen Entwurf des Reformstaatsvertrags den Onlineauftritt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) zu ruinieren. Nachrichten und aktuelle Entwicklungen sollen erst online zu lesen sein, wenn diese zuvor im Fernsehen oder auch im Radio gesendet wurden. Was wie ein schlechter Witz klingt, wurde bereits von den Ministerpräsident*innen der Bundesländer bestätigt.

Der Vorschlag ist auf die Kritik des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) zurückzuführen: Seit Jahren kämpft der Bundesverband gegen den ÖRR in puncto Presseähnlichkeit, die laut Medienstaatsvertrag verboten ist. Durch die diversen Onlinetexte des ÖRR würden die Presseähnlichkeit verletzt werden. Private Zeitungsverlage würden durch die Onlinetexte der Öffentlichen weniger Geld verdienen, wodurch die Medienvielfalt in Gefahr sei. Deshalb sollen durch den Reformstaatsvertrag künftig nur noch online Texte zu Themen erscheinen, die zuvor im Fernsehen oder Radio gelaufen sind.
Ein totaler Irrsinn. Und eine Verschiebung des Problems, dass die Privaten den Sprung auf den Zug in die digitale Nachrichtenwelt verpasst haben. Wie die Reform auf Instagram in Zukunft aussehen könnte, hat die Tagesschau schon demonstriert.

Der erste Slide im Feed der ins Auge sticht | Quelle: Instagram: @tagesschau
Die Erläuterung, wieso wir zuerst keinen richtigen Beitrag sehen | Quelle: Instagram: @tagesschau
Der ursprüngliche Post war erst nach dem dritten Slide zu sehen | Quelle: Instagram: @tagesschau

Realitätsfern

Gerade für junge Menschen sind Nachrichten im Fernsehen und Radio irrelevant. Nicht, weil die Informationen sie nicht interessieren, der Grund ist eher, dass viele gar keinen Fernseher, den passenden Anschluss oder auch Radio haben. Informationen und Nachrichten werden über Instagram, YouTube und Online-Artikel konsumiert. Der Schritt von der Rundfunkkommission, künftig die Beiträge im Internet an die linearen Sendungen zu koppeln, ist total an der Lebensrealität junger Menschen vorbeigeplant. Wer will denn auf Instagram bis 20 Uhr warten, damit alle „sendungsbezogenen“ Posts der Tagesschau veröffentlicht werden? Die Idee dahinter sei: „den Auftrag der ÖRR qualitativ zu stärken und quantitativ zu begrenzen“.  

Nun ist es aber Fakt, dass traditionelle Medien, wie TV, Radio und Print seit Jahren an Bedeutung verlieren – und die digitalen Angebote können diese entstandene Lücke gar nicht füllen. Der Nachrichtenkonsum sinkt in ganz Deutschland. Das fand eine Studie des Reuters Institute for the Study of Journalism im vergangenen Jahr heraus. 

Hinzu kommt noch, dass der Entwurf des Reformstaatsvertrags vorsieht, insgesamt mindestens 16 Radioprogramme zu streichen. Außerdem sollen auch Spartenkanäle im Fernsehen, wie 3Sat und Arte zusammengelegt oder sogar eingespart werden. Da stellt sich doch die Frage: Wie soll die Informationsvielfalt durch Online-Artikel oder Social-Media Posts mit Sendungsbezug bestehen bleiben, wenn so große Programme eingedampft werden? Wenn die Sender nicht mehr da sind, gibt es auch keinen Sendungsbezug mehr, wodurch auch keine Informationsvielfalt gegeben ist. Dadurch würden die ÖRR ihren Programmauftrag verletzen, der über den Rundfunkstaatsvertrag im Grundgesetz verankert ist: 

Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben in ihren Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben.

Auszug: §11 Rundfunkstaatvertrag

Eine Reform, aber nicht für die Jüngeren

Sollte der Entwurf nächstes Jahr mit diesen Aspekten von allen 16 Bundesländern bestätigt werden, ist das vor allem für jüngere Menschen eine herbe Klatsche. Durch die drastische Verschärfung des Sendungsbezugs würde der ÖRR einen großen Schritt zurück machen. Eine Reform sollte etwas verbessern und zeitgemäß machen, aber das ist in diesem Fall bisher nicht geglückt. Bisher ist es eine Reform im Schafspelz: viele, absehbare, negative Folgen und bisher wird dem ganzen kaum Beachtung geschenkt. Es wäre viel besser, wenn die Rundfunkkommission gezielt nach Möglichkeiten schaut, wie auch die jüngeren Menschen wieder ins Boot geholt werden, damit sie informiert sind. Eine Option wäre, dieses pedantische Beharren auf den Sendungsbezug endgültig über Bord zu werfen. Außerdem müssen die Online-Redaktion gestärkt und auch der Fokus auf die Formatentwicklung gelegt werden, damit die Relevanz der ÖRR-Kanäle auch wirklich bestehen bleibt. Dadurch könnte etwas Nachhaltiges für die Medienlandschaft getan werden.

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