„Die Musik ist ein bedeutsames Medium, das insbesondere bei Jugendlichen Interesse für den Rechtsextremismus wecken und diese damit an die rechtsextremistische Szene heranführen kann.“
Der braune Anstrich der Rapszene
Musik dient seit jeher als Machtinstrument. Sie beeinflusst Emotionen, vermittelt Zugehörigkeitsgefühle und schafft Identität. Als wichtiger Bestandteil der Popkultur war sie immer auch von den politischen Themen ihrer Zeit geprägt. Denken wir nur an die Hippie-Bewegung der 60-er Jahre. Noch heute verbinden wir die Musik dieser Zeit mit den Werten der Bewegung. Für die Akteure der rechtsextremistischen Strömungen in Deutschland ist diese Mechanik längst nichts Neues mehr. Früher gab es die berüchtigten „Pausenhof-CDs“ mit Songs der Rechtsrock-Szene, die unter Jugendlichen verteilt wurden. Über das Internet funktioniert die Verbreitung heutzutage noch schneller.
Werbeträger für nationalsozialistisches Gedankengut
Die Zielgruppe von rechtsgeprägter Musik besteht längst nicht nur aus Skinheads und Neonazis. Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes hat sich die rechtsextremistische Musikszene in den letzten Jahren stark ausdifferenziert und professionalisiert. Besonders junge Menschen sollen mit modernen Beats und Sprechgesang angesprochen werden. Dabei sind die Texte nicht immer offensichtlich rechtsextrem. Mit subtilen Mitteln transportieren diese Lieder fremdenfeindliche und diskriminierende Inhalte an eine breitere Hörerschaft. Der deutsche Verfassungsschutz ist sich sicher, dass Musik mit rechtsextremistischen Texten ein wichtiger Bestandteil des Rechtsextremismus in Deutschland ist.
Dieses Instrument nutzen auch Parteien, um ihre politischen Absichten mit der Freizeitgestaltung Jugendlicher zu verbinden: Die musikalischen Inhalte dienen als nicht zu unterschätzende Rekrutierungsmaßnahme. Erkennbar ist dies an der engen Zusammenarbeit der Interpret*innen und einer Vielzahl politischer Organisationen. Viele Rapper*innen der Szene sind in Parteien oder Vereinen aktiv und pflegen enge Verbindungen zu ihnen. So gab es im Dezember 2023 etwa eine gemeinsame Veranstaltung der Jungen Alternativen in Brandenburg und dem rechten Label „Sub:Version“. Hinzu kommt die Vernetzung über das Internet und soziale Netzwerke. Dort wird die Musik nicht nur verbreitet, sondern auch vermarktet. Interpret*innen und Gleichgesinnte teilen Beiträge mit rechtsextremen Inhalten untereinander. So tauschen sie sich aus und bündeln ihre Reichweite.
Rechter Rap: Moderne Form des Rechtsrock
Rap ist ein Teil der US-amerikanischen Hip-Hop-Kultur und in der afroamerikanischen Geschichte tief verwurzelt. Aus diesem Grund wurde er früher von der rechtsextremistischen Szene in Deutschland lange Zeit abgelehnt. Eine Veränderung kam erst, nachdem sich Rap und insbesondere Deutschrap in der Gesellschaft etabliert hatten. Vor allem bei jüngeren Menschen ist Rap sehr beliebt. 71,5% der 14–19-Jährigen in Deutschland gaben 2023 an, dass sie gerne Rap und Hip-Hop Musik hören. Dieser Umstand bewegte die Rechtsradikalen dazu, musikalisch vielfältiger zu denken. Das musikalische Spektrum des Rechtsrock entwickelte sich weiter und brachte eine spezifische Form hervor: den sogenannten „NS-Rap“. Anfangs deklariert als patriotischer Rap, bedienen sich die Interpret*innen diesen Genres an Stilmittel des Hip-Hops, um offene rechtsextreme Ideologien zu verbreiten.
Der Neue Deutsche Standard
Der Kern dieses Netzwerkes bildet das Label „Neuer Deutscher Standard“ (NDS). Von Beginn an galt der NDS als Projekt der sogenannten „Identitären Bewegung“ (IB), der Jugendorganisation der „neuen“ Rechten. Gründer Chris Ares rief den NDS 2019 ins Leben, war offiziell aber nie Mitglied der IB. Als wichtiges Gesicht in der NS-Rap Szene versammelte er Gleichgesinnte um sich, die gemeinsam als Dreh- und Angelpunkt der Szene fungieren. So richtig ins Rampenlicht trat Chris Ares bei einer Wahlparty der Alternative für Deutschland in München. Nach einer handgreiflichen Auseinandersetzung mit Demonstrierenden geriet er in mediale Öffentlichkeit. Spätestens seit dem Durchbruch von Chris Ares in die deutschen iTunes- und Amazon-Charts im Jahr 2020 wird die Gefahr von NS-Rap auf Online-Plattformen wie Youtube oder Spotify und die Verantwortung dieser Plattformen breit diskutiert.
Als Rapper sind seine Texte voller rechter Ideologien und Fremdenfeindlichkeit. Zusätzlich bedient er mit seinen Liedern auch verschiedene Verschwörungstheorien. In dem Song „BRDigung“ spricht Ares über den Verschwörungsmythos des Bevölkerungsaustausches.
Der Begriff „Bevölkerungsaustausch“, auch bekannt als „Der Große Austausch“, ist eine Verschwörungstheorie aus rechtsextremen Kreisen. Sie besagt, dass eine geheime „Elite“ plane, die westliche Bevölkerung nach und nach auszutauschen, um die weiße Bevölkerung zu eliminieren.
Einen ersten Eindruck über die Vernetzung von rechtsradikalen Personen gibt Ares Lied „Fremdbestimmt“. Das Lied ist unter anderem Werbung für das gleichnamige Buch von AfD- und Pegida-Sympathisant Thorsten Schulte. „Fremdbestimmt“ relativiert in manchen Kapiteln Nazideutschlands Angriffskriege und den Holocaust.
Chris Ares kehrte dem Label im Jahr 2020 den Rücken zu. Als Lückenfüller trat Kai Naggert, alias Prototyp, an seine Stelle. Er schaffte es einige Rapper*innen um sich zu versammeln und gab dem Label Stabilität zurück. Neben Chris Ares verließen die Rapper Andre Laaf, alias Primus, und Tino Datze, alias Menx, das Label. Hinzu kamen neue Gesichter, sodass das Label aktuell offiziell acht Mitglieder zählt.
Durch eine vergleichsweise fortgeschrittene Produktionsqualität hebt sich das Label von anderen rechtsextremen Musikprojekten ab. Die Musikvideos sind professionell gestaltet und alle Kanäle der Monetarisierung werden genutzt. So verkauft das Label neben Musik auch Merchandise wie T-Shirts und Pullover.
Der NS-Rap – bereits im Mainstream?
Auf Basis der monatlichen Spotify Hörer*innen spielt der rechte Rap noch eine untergeordnete Rolle in der deutschen Musiklandschaft. Nur einzelne Interpret*innen können auf der Musikplattform über 20.000 Menschen monatlich erreichen. Die Bekanntheit der meisten Rapper*innen ist zum aktuellen Stand noch auf die Szene eingeschränkt. Durch Features und Kooperationen, schaffen sie es trotzdem sich schrittweise mit rechten Akteuren zu vernetzen und von deren Reichweite zu profitieren. So stehen einige der Rapper*innen mit Personen wie Steven Feldmann oder dem Kopf der Identitären Bewegung, Martin Sellner in Kontakt.
Unter Beobachtung
Das Netzwerk der NS-Rap-Szene erscheint zum jetzigen Zeitpunkt noch überschaubar. Die Musik ist noch nicht erkennbar im deutschen Mainstream angekommen. Dennoch schafft sie es immer wieder mit Schlagzeilen in die Öffentlichkeit. Der Verfassungsschutz sieht in der Szene eine ernstzunehmende Bedrohung und beobachtet die Entwicklungen genau.
Insbesondere für Jugendliche, die gerne Rap-Musik konsumieren und in sozialen Netzwerken aktiv sind, stellt die Ausbreitung der Szene eine Gefahr dar. Denn häufig ist der erste Kontakt nicht nur politisch motiviert, sondern hängt mit sozialen, familiären und kulturellen Faktoren zusammen. Nach Angaben des Vereins „Laut gegen Nazis“ würden es Streaming-Plattformen und Algorithmen einfach machen, rechte Musik im Netz zu verbreiten. Zudem seien von Spotify bislang nur 4,5 Prozent der gemeldeten Inhalte auch tatsächlich gelöscht worden. Das Unternehmen selbst sagt, dass es inhaltliche Bedenken sehr ernst nehme und algorithmische Maßnahmen einsetze, um sicherzustellen, dass alle Inhalte mit den Regeln ihrer Plattform übereinstimmen. Klar ist daher: Für Plattformen wie Instagram oder Spotify wird es in Zukunft wichtig sein, Vorkehrungen zu treffen, um die Verbreitung von extremistischem Gedankengut zu erschweren.
Hier sind alle erhobenen Daten zu finden, die für unsere Netzwerke verwendet wurden:
Die Autor*innen sind der Redaktion bekannt. Wegen teilweise starker Anfeindungen aus der thematisierten Szene haben die Autor*innen um Anonymisierung gebeten.