Kolumne

Mitternachtsgeflüster: Wie werde ich allem gerecht?

Mitternachtsgeflüster: Wenn das Gehirn nachts Selbstgespräche führt.
27. Febr. 2023
Gedanken um Mitternacht, wer kennt sie nicht? Dann wenn wir schlafen wollen, einen anstrengenden Tag hinter uns haben und einfach abschalten wollen, führt unser Gehirn gerne Selbstgespräche. Eine Kolumne über Augenringe und die Achterbahnfahrten der eigenen Gedanken.

Wieder mal einen anstrengenden Tag hinter mich gebracht. Zwischen Uni, Job, Hobby, Freund*innen und Familie versuche ich auch noch mir selbst gerecht zu werden. Klingt das egoistisch? Laut all den Instagram-Pages zum Thema „Selbstfürsorge“ nicht. Und doch ist meine soziale Batterie leer. Aber anstatt mir die Zeit zu nehmen, um mal wieder in Ruhe ein paar Seiten zu lesen, bin ich zu müde und entscheide mich eher für eine seichte Serie, von der ich mich nur berieseln lassen muss, anstatt noch großartig Gehirn-Jogging zu betreiben. Die Balken meiner Bildschirmzeit wachsen mal wieder so hoch wie die Wolkenkratzer in New York. Zeit, schlafen zu gehen.

Doch kaum liege ich im Bett und schließe die Augen, startet die Achterbahnfahrt durch meine Gedanken – und zwar nicht langsam wie ein gemütlicher Bummelzug, sondern eher in Überschallgeschwindigkeit. Wir rasen an den unterschiedlichsten und auch teilweise absurdesten Themen und Gedanken vorbei. Schreien oder die Arme in den Himmel strecken, um den freien Fall zu genießen, brauche ich nicht. Den spüre ich auch so; als hätte meine Matratze sich einfach geteilt und ich falle frei nach unten, ohne Sicherung oder Aussicht auf ein Auffangnetz.

Werde ich allem gerecht?

Gerade in etwas stressigeren Zeiten stelle ich mir oft die Frage: Wie schaffe ich es, allem ausreichend gerecht zu werden? Ist es okay, auch mal auszusetzen, um mich auszuruhen, oder verpasse ich dann wieder den „schönsten Abend seit langem“? Ist es in Ordnung, auch mal nicht die Letzte zu sein, die geht? Versteht mich nicht falsch, Quality time mit Freund*innen und Familie sind die Momente, die ich am meisten schätze. Aber ist es besonders in stressigen Zeiten nicht auch wichtig, auf sich selbst zu hören? Vom optimalen Weg bin ich jedenfalls noch weit entfernt. Hilfreich ist es dann natürlich auch nicht, am nächsten Tag zu hören, was man alles verpasst hat. Habe ich doch die falsche Entscheidung getroffen? Oder war ich vernünftig und habe auf meine Bedürfnisse gehört? Am Ende muss ich mich davon verabschieden, allem in gleicherweise gerecht werden zu wollen, sondern lernen, Prioritäten zu setzen und meine Kräfte dementsprechend einzuteilen. Wie heißt es so schön: „Man kann nicht auf allen Hochzeiten tanzen“. 

Ist JOMO die Lösung?

FOMO – „Fear of missing out“ ist mittlerweile ein etwas bekannteres Phänomen, welches oftmals mit dem Smartphone und vor allem dem dauerhaften Checken der sozialen Netzwerke zusammenhängt. Was machen meine Freunde gerade? Verpasse ich mal wieder etwas? Dem entgegen stellt sich nun JOMO – „Joy of missing out“. Dieser Trend soll zu einem kritischeren Umgang mit dem Internet und den sozialen Netzwerken anregen, aber auch ermutigen, sich von den Erwartungen anderer zu lösen und für sich zu entscheiden, wann man vielleicht auch Freude daran hat, etwas zu verpassen. Es ist schließlich auch schön zu hören, was die anderen erlebt haben oder selbst von dem spannenden Buch zu erzählen, dass man gerade fertiggelesen hat. Und das in entspannter Runde mit voller sozialer Batterie.

 
Eine weitere Achterbahnfahrt durch meine Gedanken findest du in der nächsten Folge „Mitternachtsgeflüster“.