Geschlechterrollen

Bleiben Männer in sozialen Berufen eine Minderheit?

Männer in sozialen Berufen wie Krankenpflege, Altenpflege und Erziehung sind eher selten.
03. Dez. 2021
Fürsorge, Pflege und Erziehung – das sind Aufgabenbereiche, die wir eher mit Frauen in Verbindung bringen. Genau diese Fähigkeiten spielen in der sozialen Arbeit eine bedeutende Rolle. Ist das ein Grund dafür, dass Männer in sozialen Berufen immer noch unterrepräsentiert sind?

Oliver Feige, seit acht Jahren in der Altenpflege tätig, ist mit einem Anteil von 30 Prozent einer der wenigen Männern in seiner Einrichtung. Damit ist er nicht allein. Laut einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit von Mai 2021 sind nur 20 Prozent aller in Pflegeberufen Beschäftigten Männer. Feige führt diesen Zustand auf ein gesellschaftliches Bild seines Berufstandes zurück, das oftmals nur auf die negativen Seiten reduziert wird: Windeln wechseln, Hintern abwischen, Bettpfannen leeren, dabei stets freundlich bleiben und die Zeit im Blick behalten. „Es ist der kleinste Teil von dem, was gemacht wird. Der Beruf wird leider oft auf die unangenehmen Dinge reduziert“, betont Feige. 
Das ist allerdings nicht das einzige Vorurteil, das mit sozialer Arbeit in Verbindung gebracht wird. Laut der Bundeszentrale für politische Bildung  ist eine weitere Ursache hierfür, dass soziale Berufe in den Köpfen vieler nach wie vor als typische „Frauenberufe“ gelten. Sie spiegeln die Rolle der Frau als fürsorgliche Mutter wider. Männer hingegen sind in den Köpfen vieler nach wie vor als Haupternährer der Familie verankert. 

Steckt unsere Gesellschaft also noch zu tief im „alten Denken“?

Früher waren die Rollen fest verteilt:
Der Mann bringt das Geld nach Hause, die Frau kümmert sich um den Haushalt, die Kindererziehung und auch noch die Pflege der Angehörigen. Dabei war es selbstverständlich, dass der Mann in einem typischen „Männerberuf“ tätig war. Wenn diese Rolle nicht bedient wurde, galt Man(n) als Rarität oder vielmehr schon fast als Kuriosität.

„Wenn Patienten oder Angehörige mich nicht kennen, gehen sie oft davon aus, dass ich der Stationsarzt bin, einfach nur, weil ich ein Mann bin.“

 


 

Frankl Alf

Heute haben wir auf der einen Seite die gesetzlich vorgeschriebene Frauenquote in Führungspositionen und die Forderung nach mehr Frauen in von Männern dominierten Berufsfeldern. Auf der anderen Seite stehen jedoch die immer noch herrschenden Vorurteile gegenüber Männern in sozialen Berufen. Das kann auch Frank Alf bestätigen. Er arbeitet als Pfleger im Krankenhaus und wird in seinem Berufsalltag oftmals mit Vorurteilen konfrontiert. „Wenn Patienten oder Angehörige mich nicht kennen, gehen sie oft davon aus, dass ich der Stationsarzt bin, einfach nur, weil ich ein Mann bin. Im Gegenteil dazu werden die Stationsärztinnen oft als Pflegekraft verwechselt.“ Alf betont aber auch, dass er es hauptsächlich mit älteren Patient*innen zu tun habe, bei denen das „alte Denken“ aufgrund der damals herrschenden Sozialisierung noch anders verankert sei. Vor allem bei den jüngeren Generationen nehme er ein Umdenken wahr, beschreibt er.

Männliche Pflegekräfte im Krankenhaus bilden mit 24 Prozent die Minderheit.

Die Anzahl männlicher Auszubildender in sozialen Berufen steigt

Auch wenn Männer in sozialen Berufen mit vielen Vorurteilen zu kämpfen haben, erhöht sich die männliche Quote der angefangenen Ausbildungen in diesem Bereich. So stieg beispielsweise der männliche Anteil an angehenden Erziehern laut einer Erhebung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BFSFJ) zum Ausbildungsjahr 2019/2020 um fünf Prozent auf 20,5 Prozent. 
Das freut auch den Jugend- und Heimerzieher Jan Müller-Lütken. Ihm ist es ein besonderes Anliegen hervorzuheben, welch wichtige Rolle eine ausgewogene Repräsentation der Geschlechter für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen hat. Wenn diese nicht gewährleistet werden könne, so Müller-Lütken, leide die Entwicklung. Er berichtet weiter, dass die beidseitige Geschlechterrepräsentation vor allem für pubertierende Jungs, die ein starkes Potenzial zur Rebellion hätten, wichtig sei. Diesen fehle oft die Vaterrolle, die nur von einem Mann übernommen werden könne. 

Die Anzahl von angefangenen Ausbildungen in sozialen Berufen steigt.

Sowohl Müller-Lütken, wie auch Alf und Feige berichten davon, dass man als Mann in einem sozialen Beruf prinzipiell eher für Führungspositionen bevorzugt wird. So sagt beispielsweise Müller-Lütken: „Da es eben so wenige männliche Bewerber gibt, wird man eigentlich direkt herzlichst empfangen“.

Imagewandel – was Man(n) tun kann

Ein Schritt auf dem Weg zu einem ausgeglichenen Verhältnis der Geschlechter könnte der Boys‘ Day sein. Der Jungen-Zukunftstag ist das Gegenstück zum Girls'Day. An diesem Tag wird Jungen die Chance gegeben, Berufe kennenzulernen, in denen aktuell nur wenige Männer arbeiten. Dabei handelt es sich zumeist um Berufe aus dem erzieherischen, sozialen und pflegerischen Bereich.
Auch Oliver Feige, Frank Alf und Jan Müller-Lütken haben Ideen für mögliche Lösungsansätze, wie soziale Berufe vom Image des typischen Frauenberufs gelöst werden könnten.  

„Die Öffentlichkeit sollte mehr über die positiven Dinge in der Pflege berichten, um den Beruf allgemein attraktiver zu machen.“ - Oliver Feige, Altenpfleger

„Meiner Ansicht nach kann dies durch eine noch stärkere Professionalisierung unserer Berufsgruppe geschehen. Indem wir beginnen uns als Berufsgruppe besser zu organisieren, selbst verwalten, mehr akademisch bilden und Forschung betreiben.“

- Frank Alf, Krankenpfleger

„Für Erzieher sollte es ein offeneres Thema werden, wie man mit Gefühlen und Emotionen umgeht.“

- Jan Müller-Lütken, Jugend- und Heimerzieher

Es steckt also viel mehr hinter den sozialen Berufen als nur Windeln zu wechseln und die Bettpfannen zu leeren. Obwohl die Zahlen von Männern in diesem Berufsfeld steigen, gibt es noch kein ausgeglichenes Geschlechterbild. Um diesem näher zu kommen, könnten beispielsweise die Lösungsansätze von Feige, Alf und Müller-Lütken eine bedeutende Rolle spielen.