MediaNight 4 Minuten

Wie viel Patrick Bateman steckt in dir?

Ein Mann wird mit Wein übergossen.
Exzess beim Essen: Studierende der HdM durften beim Projekt „American Psycho" selbst vor die Kamera. | Quelle: Wolf-Peter Steinheißer
05. Febr. 2025

Manchmal erwischt man sich selbst dabei, zu sehr Wert darauf zu legen, was Andere von einem denken. Auf der MediaNight versuchen Studierende des Moduls Campaign Management mit der Ausstellung „American Psycho" ihre Besuchenden mit selbstkritischen Fragen zu konfrontieren.

Laute Musik läuft, während Bilder an die Wand projiziert werden. An einem Gitter sind Fotografien ausgestellt, auf Tischen liegen Postkarten, Poster und Snacks zum Mitnehmen. Eine transparente Wand mit der Frage „Was bedeutet Dekadenz für dich?“ begrüßt beim Eintreten. Ein Stift lädt Besuchende zum Schreiben und Nachdenken ein. Die Studierenden des Moduls Campaign Management möchten mit der Ausstellung „American Psycho“ auf der MediaNight zum Mitmachen animieren.

In diesem Modul kamen Studierende aus verschiedenen Studiengängen zusammen, um über ein Semester lang ihre eigene Interpretation des Buchs „American Psycho" von Bret Easton Ellis zu visualisieren. Das Ergebnis ist ein Selbsthilfe-Buch, geschrieben aus Sicht des Protagonisten Patrick Bateman. Der graduelle Zerfall, durch eine zwanghafte Selbstoptimierung ausgelöst, wird hier durch starke Bilder, kleine Kritzeleien und sarkastisch wirkende Textausschnitte dargestellt. 

Das Buch „American Psycho", im Jahr 1991 erschienen, erzählt die Geschichte des Investment-Bankers Patrick Bateman. Der ausschweifende Lebensstil der reichen New Yorker Upper Class wird detailreich beschrieben. Dieser zeigt sich durch ein exzessives Nachtleben und starkem Drogenkonsum. Im Laufe des Romans entwickelt sich Bateman zu einem brutalen Serienkiller. Ellis kritisiert durch sein Werk den Materialismus und Narzissmus der Broker-Elite der 1980er-Jahre.

Quelle: buchwurm.org

Viel Kreativität am Set

Fotografien bilden den Hauptfokus der Ausstellung. Die fiktive Figur des Investment-Bankers Patrick Bateman wurde vom Schauspieler Florian Wünsche, der bereits für die KiKA-Serie Schloss Einstein vor der Kamera stand, gespielt. Studierende schlüpften als Models in weitere Charaktere. Einmal ruhig auf einer Yoga-Matte, dann übergossen mit Wein und mit Essen beschmiert. Wolf-Peter Steinheißer, ein Fotograf aus Ludwigsburg und Rahel Täubert, die in Stuttgart als Maskenbildnerin tätig ist, arbeiteten bei dem Projekt mit. Beide seien davon begeistert gewesen, wie organisiert die Studierenden waren. Dennoch habe es genügend Freiraum beim Shooting gegeben.


Steinheißer berichtet von einem tollen kreativen Austausch mit viel Spaß und Improvisation vor Ort. Emilia Faustini, eine Studentin die am Projekt mitarbeitete, erzählt: „Ich stand nur mit offenem Mund da, weil die sich alle mit dem Essen beschmiert haben. Es war so toll zu sehen, was Kreativität manchmal auslöst.“ Das Making-of des Fotoshootings ist auf der Website des Projektes einzusehen.

Ein Mann mit einer Tuchmaske schaut in seinen Kleiderschrank.
Bloß nichts zweimal tragen: Eine Fotografie aus dem Selbsthilfebuch von Patrick Bateman, hier dargestellt von Florian Wünsche. | Quelle: Wolf-Peter Steinheißer
Ein Mann im Bademantel trägt eine Tuchmaske und liegt mit einer Frau in einem Bett.
Schauspieler Florian Wünsche verkörpert den Perfektionisten Patrick Bateman. | Quelle: Wolf-Peter Steinheißer
Ein Mann im Anzug trinkt ein alkoholisches Getränk.
Kleider machen Leute: Bateman (Florian Wünsche) legt viel Wert auf Selbstdarstellung. | Quelle: Wolf-Peter Steinheißer
Ein Mann liegt auf einer Yogamatte und macht Dehnübungen.
Patrick Bateman (Florian Wünsche) strebt nach der vollen Kontrolle über seinen Körper. | Quelle: Wolf-Peter Steinheißer
Nahrungsergänzungsmittel und Pillen liegen auf dem Boden.
Immer ans Limit: Mit Nahrungsergänzungsmitteln das Maximum beim Sport herausholen. | Quelle: Wolf-Peter Steinheißer

Heutige Parallelen

Wünsche steht als Bateman im Vordergrund der Fotografien. Er verkörpert Arroganz, Überlegenheit und den Drang wahrgenommen zu werden. Die Ausstellung vereint sich unter dem Begriff „Dekadenz“. 

Der Begriff der Dekadenz, auf französisch “Niedergang”, bezeichnet eine zügellose Übersättigung und den gleichzeitig damit einhergehenden Zerfall. Die Teilnehmenden des Moduls übersetzen den alteingesessenen Begriff in die Moderne. 

Die Frage der Selbstdarstellung steht hier im Vordergrund. Anders als im Roman gehe heute die Quantität über die Qualität. Der eine teure Mantel zähle nicht mehr, sondern wie viele Jacken man besitze. Heutzutage finden Trends auch viel im Modebereich statt. Lena Geltenbort, eine Studentin die am Projekt mitarbeitete, berichtet, wie sie sich im Entstehungsprozess des Projekts oft selbst hinterfragte: „Was mache ich alles, um dazu zu gehören?" Dieser ständige Drang, dabei zu sein und auch alle via Social Media davon wissen zu lassen, ende in einer Abwärtsspirale. 

„Was mache ich alles, um dazu zu gehören?”

Lena Geltenbort, Teilnehmende des Projekts

Die Ausstellung soll zum Nachdenken anregen: Was konsumiert man selbst und was zu viel? Wie stellt man sich auf Plattformen wie Instagram dar - so wie man wirklich ist, oder so wie man wahrgenommen werden möchte? 

Besuchende der MediaNight verbinden Dekadenz mit Luxus, Extravaganz und Geld. Ganz allgemein etwas, das eindeutig zu viel sei. „Es hat mir nochmal vor Augen geführt, in was für einem Reichtum wir eigentlich leben“, erkennt Louisa, eine Besucherin, nachdem sie sich die Ausstellung angeschaut hat. Bei der Frage, was man denn selbst zu viel konsumiert, finden viele eine Antwort. Die Besuchenden geben Dinge wie das Handy, Klamotten und Essen an. 

Eine Glaswand mit der Aufschrift "What does decadence mean to you?".
Was bedeutet Dekadenz für dich? Diese und weitere Fragen stellten die Studierenden bei ihrer Ausstellung.
Quelle: Nils Wagner

Parallelen zum Buch werden deutlich: Die Gesellschaft verändert sich, doch das Problem bleibt bestehen. Bei Dekadenz gehe es nicht allein um die Selbstdarstellung, sondern auch um die Frage “Was macht mich aus?”. Wieso ist man ständig versucht, einem gesellschaftlichen Druck zu folgen, bei jedem Trend mitzumachen? Die Studieren haben es geschafft, ihr Publikum über sich selbst und den eigenen Konsum nachdenken zu lassen.