„Eine klassische Smartphone-Sucht gibt es nicht, es sind vielmehr die Anwendungen auf dem Handy, die problematisch sind.“
Der schmale digitale Grat
Ständig auf das Handy konzentriert. Ständig in der digitalen Welt. Wenn das Handy mal nicht zur Hand ist, wird es schlimm. Die Haut wird feucht, die Konzentration lässt nach und schon der kleinste Anlass lässt einen aus der Haut fahren. Es scheint wie eine Sucht. Viele Mediziner und Forscher beschäftigen sich intensiv mit diesem relativ neuen Phänomen. Die Gelehrten sind sich aber bei Weitem nicht einig, bei der Smartphone-Sucht. Leiter der Abteilung für Molekulare Psychologie am Universitätsklinikum Ulm, Dr. Christian Montag forscht schon seit vielen Jahren zu dem Thema.
Deshalb müsste man rein theoretisch von einer Internet-Nutzungsstörung sprechen. Das Internet ist allerdings durch unsere mobilen Geräte allgegenwärtig und gerade mit WhatsApp, Instagram und Co. im Dauereinsatz. Durch Push-Benachrichtigungen werden wir immer wieder aus unserem Alltag gerissen. Die Konzentration, die Gespräche mit dem Gegenüber oder die Arbeitsleistung gehen verloren. Aber warum lassen wir uns einfach verleiten?
Suchtauslöser
Positive soziale Interaktionen setzen eine Menge Dopamin frei. Bei jeder Nachricht, jedem Like wird das Glückshormon ausgeschüttet. Das bedeutet: maximale Belohnung mit minimalem Aufwand. Genau dies machen sich die App-Entwickler zunutze. Laut dem Standford-Psychologe BJ Fogg müssen drei Bedingungen erfüllt sein, um Menschen zu einer bestimmten Handlung zu bringen: Die Handlung muss möglichst leichtfallen, er muss motiviert sein und er muss einen Auslöser wahrnehmen. Auf den Alltag übertragen bedeutet das: Unsere Handys sind in der Hosentasche mit nur einem einfachen Griff in der Hand. Der Trigger kann eine einfache Situation sein – etwa Langeweile oder eine Fahrt mit der Bahn. Irgendwann wird daraus ein Automatismus, der nur schwer wieder abzustellen ist.
Ständig erreichbar sein ist ein Muss
Diese Gewohnheiten aufzubrechen ist enorm schwierig, können aber behandelt werden. Jede Therapie ist individuell auf den Patienten zugeschnitten. Aber die Grundzüge sind in der Masse gleich. Verhaltenssüchte lassen sich laut Dr. Petersen, Mediziner am Universitätsklinikum Tübingen, am besten mit einer Gruppentherapie behandeln. Dabei wird in der Verhaltenstherapie auf das sogenannte STICA-Verfahren zurückgegriffen.
Das Handy darf aber nicht vorschnell verteufelt werden, denn es sind die Applikationen, von denen die Gefahren ausgehen. Im Gegensatz zu substanzgebundenen Süchten, in dem das Therapieziel der „zero tolerance“ gilt, ist das bei der Smartphone-Sucht nicht möglich. Im heutigen Arbeitsleben sind wir immer mehr auf die digitale Welt angewiesen. Deshalb muss im Vorhinein genau geschaut werden, welche Applikationen die Suchterregenden sind, um den Umgang oder die Abstinenz derer neu zu erlernen. Allerdings müssen nicht nur wir Nutzer schauen, wie wir uns retten können.
Kostenlos, bequem und hilfreich: So vermarkten die Unternehmen ihre sozialen Netzwerke und Gratis-Apps. Wir bezahlen den Preis in Form unserer vertraulichsten Daten. Durch die Informationen können dann wiederum zielgerichtete Werbungen geschaltet werden.
Deshalb müssen Unternehmen weltweit ihrer sozialen Verantwortung nachkommen und ihre selbstgeschaffenen suchterzeugenden Mechanismen überarbeiten. Die Smartphone-Sucht, genauer die Internetsucht, wird immer präsenter. Zum einen haben 95 Prozent aller 14 bis 49-jährigen Deutschen ein Handy und nutzen dieses natürlich auch privat. Diese Zahl steigt immer weiter. Die ständige Erreichbarkeit in der globalen und digitalen Welt ist inzwischen eine Kernvoraussetzung. Im Privaten wird es schlicht und einfach erwartet. Vom „Viel-Daddler“ zum Handy-Junkie: Die Grenzen sind manchmal fließend. Aber ab wann solltest du dir ernsthaft Gedanken machen Hilfe zu suchen?
Wenn Du glaubst, selbst ein Problem mit deinem Smartphone- oder Internetkonsum zu haben, schau mal bei www.smartphone-addiction.de vorbei.