„Man kann den Schlaf nicht erzwingen, sondern man kann versuchen, ihn zu ermöglichen.“
Gute Nacht, Welt: Warum Schlaf so wichtig ist
Vorlesungen besuchen, Prüfungen schreiben und Präsentationen halten - als Student hat mein Kommilitone Jonathan viel zu tun. Ebenso wichtig ist es ihm, auf Partys zu gehen und Zeit mit Freund*innen zu verbringen. Zeitmanagement ist hier das A und O. Doch was er oft vernachlässigt, ist der Schlaf. Schon früh machten sich Schlafprobleme bei ihm bemerkbar. Ein Auslöser war das Lernen auf seine Abiturprüfungen, bei dem er einige Nächte durchgemacht hatte. Auch im Studium kommen diese alten Muster wieder zum Vorschein.
Dabei ist Schlaf enorm wichtig für unsere mentale Gesundheit und fördert viele Funktionen des Gehirns. Wenn wir zum Beispiel vor dem Lernen schlafen, verbessern wir unsere Fähigkeit, überhaupt neue Erinnerungen aufzunehmen. Schlafen nach dem Lernen, speichert dann das Gelernte ab. Eine Studie zeigt, dass das Erinnerungsvermögen nach dem Schlafen bis zu 40 Prozent höher ist.
Matthew Walker, Professor für Neurowissenschaften und Psychologie an der University of California, sowie Direktor des dortigen Schlaflabors, ist überzeugt davon, dass es für unsere Gesundheit nichts Besseres gibt als den Schlaf.
In seinen Vorlesungen über die Schlafwissenschaft führt er in den ersten Stunden immer eine anonyme Umfrage zu den Schlafgewohnheiten seiner Studierenden durch. Zum Beispiel, wann sie ins Bett gehen, wie lange sie schlafen und ob sie einen Zusammenhang zwischen ihrer akademischen Leistung und ihrem Schlafverhalten sehen. Mehr als 85 Prozent geben an, hin und wieder eine Nacht durchzumachen. Ein Drittel von ihnen verzichte sogar zwischen einmal im Monat und mehrmals pro Woche auf eine ganze Nacht Schlaf. Prüfungsstress sehen die Studierenden dabei als den Hauptgrund für die schlaflosen Nächte.
Er führte eine Studie mit zahlreichen Testpersonen durch und kam auf folgendes Ergebnis: Der Schlafmangel-Gruppe war es im Vergleich zu der Gruppe, die die ganze Nacht geschlafen hatte, um 40 Prozent schlechter gelungen, neue Fakten im Gehirn abzuspeichern. Bei einer Prüfung würde genau das den Unterschied zwischen der Bestnote und totalem Misserfolg bedeuten. Somit belegt er, dass es sich überhaupt nicht lohnt, die ganze Nacht für eine Prüfung zu büffeln.
Der Körper versucht sich im Schlaf zu heilen
Nicht nur die psychische Gesundheit wird durch Schlafmangel beeinträchtigt. Wenn die Basis des Schlafes fehlt, kann das auch körperliche Auswirkungen haben. Dann sind auch eine gesunde Ernährung und körperliche Bewegung nicht mehr so wirksam. Alle wichtigen Körpersysteme, das Gewebe und Organe des Körpers werden bei Schlafmangel in Mitleidenschaft gezogen.
Aber: Daniel Sippel, Leiter des Schlaflabors und der Schlafambulanz der Psychiatrie am Universitätsklinikum Tübingen, kann beruhigen: Viele Menschen kommen verunsichert zu ihm, nachdem sie sich informiert haben, welche Krankheiten man bekommen kann, wenn man nicht auf seine acht Stunden Schlaf kommt. Dadurch wird aber nur mehr Stress aufgebaut, welcher die Leute noch mehr vom Schlafen abhält. Seine Aufgabe ist es dann, die Patientinnen und Patienten erst einmal zur Ruhe zu bringen.
Er erklärt: „Man kann den Schlaf nicht erzwingen, sondern man kann versuchen, ihn zu ermöglichen. Stellen Sie sich vor, dass der Schlaf wie ein scheues Tier ist. Will ich es schnappen, rennt es weg. Bin ich aber entspannt und habe eine ruhige Umgebung, kommt das scheue Tier auch mal näher. Außerdem ist unser Schlafbedürfnis hauptsächlich genetisch festgelegt. Jeder Mensch hat eine optimale Schlafdauer für sich und die ist individuell verschieden.“
Die richtige Vorgehensweise
Eine lange Zeit unternimmt Jonathan nichts gegen seine Schlafprobleme, bis es dann schlimmer wird und er seinen Hausarzt aufsucht. Ohne sich wirklich mit den Ursachen auseinander zu setzen, verschreibt dieser ihm Tabletten. Dabei handelt es sich jedoch nicht um Schlafmittel, sondern um Tabletten gegen Essstörungen oder Depressionen, mit dem Nebeneffekt, besser schlafen zu können. „Ich war dann noch müder und es fühlte sich an, wie in einem Komaschlaf. Ich habe dann eher zu viel geschlafen und nebenbei auch Nebenwirkungen bekommen, wie zum Beispiel extremen Hunger.“, erzählt er.
Als er feststellt, dass ihm die Tabletten mehr schaden als helfen, sucht er einen Schlafexperten auf. Dieser analysiert die verschriebenen Tabletten und kommt zu dem Schluss, dass sie völlig falsch verordnet wurden. Er gibt Jonathan Tipps, wie er besser schlafen kann und rät ihm gleichzeitig zu einer Therapie. Schnell stellt sich heraus, dass die Schlafprobleme auch psychische Ursachen haben.
Die Ein- und Durchschlafstörung, auch Insomnie genannt, ist die häufigste Schlafstörung. Typische Anzeichen sind - wie der Name schon sagt - Probleme beim Ein- und Durchschlafen, zu frühes Aufwachen und nicht mehr Einschlafen können, aber auch Konzentrationsstörungen. Die Ursachen sind vielfältig. Meistens sind es psychische Belastungsfaktoren, wie zum Beispiel Stress. Das kann zwischenmenschlicher Stress sein, etwa in Beziehungen, mit Freunden, im Familienkreis, bei der Arbeit oder in der Uni. Psychische Erkrankungen können aber auch zu einer Schlafstörung führen – so ist Insomnie beispielsweise häufig ein Symptom einer Depression.
Daniel Sippel ist es wichtig, nicht direkt medikamentös einzugreifen. Dies könnte nämlich schnell zu einer Abhängigkeit führen. Vielmehr müsse man schauen: Wie kann ich besser mit Stress umgehen? Wie kann ich mein Anspannungsniveau senken? Wie kann ich mit Sorgen und negativen Gedanken besser umgehen, sodass sie mich nicht belasten?
Was kann ich nun tun, um besser zu schlafen? Jonathan schreibt sich vor dem Schlafengehen seine Gedanken auf, um weniger nachdenken zu müssen und besser abschalten zu können. Das ist auch eine Empfehlung von Herrn Sippel. Wichtig ist dann aber, nach dem Aufschreiben der Gedanken - die jetzt sozusagen aus dem Kopf und auf dem Papier sind - das Buch wegzulegen und sich erst am nächsten Tag wieder damit zu beschäftigen. Darüber hinaus ist es ratsam, den Konsum von Kaffee und Nikotin zu reduzieren und lange Handyzeiten in der Nacht zu vermeiden. Viel lieber sollte man vor dem Schlafengehen ein Buch lesen oder Entspannungsübungen machen.
Das Bett ist nur zum Schlafen da
Im Bett sollte man also nur schlafen. Wenn man nicht schlafen kann, sollte man aufstehen und alles andere außerhalb des Bettes machen. Bei gesunden Schlafenden ist es im Gehirn ganz einfach verknüpft: Bett ist gleich Schlaf. Bei Leuten mit andauernden Schlafstörungen aber mit Dingen wie Grübeln oder sich Sorgen zu machen. Man sollte versuchen, das wieder umzulernen und alles, was nicht mit Schlaf zu tun hat, aus dem Bett rauslassen.
Jeder Mensch hat hin und wieder Schlafstörungen, die nur eine oder auch mehrere Nächte anhalten können. Bei länger anhaltenden Beschwerden empfiehlt es sich jedoch, ärztlichen Rat aufzusuchen - so wie es auch Jonathan gemacht hat. Seine Schlafprobleme sind zwar nicht ganz verschwunden, aber die Tipps des Experten waren für ihn eine große Hilfe. Er rät: „Nehmt das Problem ernst. Eure Gesundheit und eure Leistung im Studium werden es euch später danken.“