Fuck Cancer
Wann hast du gemerkt, dass mit deinem Körper wieder etwas nicht stimmt?
Im November vor zwei Jahren hatte ich mich an einer Bettkante gestoßen und kam zwei Tage später ins Krankenhaus mit Verdacht auf Thrombose. Mir war aber klar, dass das nicht der Fall war. Ich wurde behandelt und nach Hause geschickt. Die Wochen darauf war ich ständig erkältet und hatte Fieberschübe. Mitte Januar hat mich meine Hausärztin dann zur Hämatologin geschickt und man hat festgestellt, dass alle meine weißen Zellen Krebszellen sind. Die Leukämie war zurück. Ich wurde direkt auf die Spenderliste gesetzt. Da ich innerhalb von vier Wochen 20 kg abgenommen hatte, wurde ich zum Aufpäppeln ins Krankenhaus geschickt. Drei Tage wurden hierfür angesetzt – letztendlich habe ich aber vier Monate im Krankenhaus verbracht.
Sabrina ist mittlerweile Anfang 30 und leidet an einer akuten lymphatischen Leukämie (kurz: ALL), einer Krankheit, die hauptsächlich bei Kindern und nur sehr selten bei Erwachsenen eintritt. Bei der ALL teilen sich die weißen Blutkörperchen ungebremst, ohne sich jedoch zu normalen, funktionstüchtigen Lymphozyten zu entwickeln. Symptome sind Müdigkeit, blaue Flecken, Blutungen und Fieberschübe. Erschwert kommt bei Sabrina hinzu, dass sie an einer Autoimmunneutropenie leidet, durch die Sabrina keine Antikörper besitzt und die weißen Blutkörperchen abgebaut werden. Der Gendefekt ist auch der Grund, weshalb ein für uns harmloser Schnupfen für Sabrina im Krankhaus enden kann.
Du postest auf deinen Social-Media-Kanälen immer mal wieder Bilder von deiner Bucket List. Wann hast du dich dazu entschlossen, deine Wünsche festzuhalten?
Meine Bucket List habe ich schon vor einigen Jahren angefangen, als ich zum ersten Mal krank wurde und es noch tabu war, über das Thema zu reden. Immer wenn mir etwas einfällt, was ich noch machen oder erleben will, dann schreibe ich es mir auf. Manchmal fällt mir auch ganz spontan etwas ein. Nach der ersten Transplantation hatte ich mich jahrelang nicht weiter um sie gekümmert und habe sie erst wieder vor zwei Jahren ausgekramt. Mit der erneuten Diagnose wurde mir bewusst, wie schnell alles vorbei sein kann!
Im Alter von 19 hast zum ersten Mal die Diagnose Blutkrebs erhalten. Was ging dir zu diesem Zeitpunkt durch den Kopf? Was für Unterschiede gab es bei der erneuten Diagnose?
Wie schaffst du es trotz der erneuten Diagnose und der ungewissen Zukunft optimistisch zu bleiben?
Das hat mit meinem ganzen Leben zu tun. Ich war nicht ohne Grund in der Jugendhilfe; ich hatte auch einige psychische Knackse, und habe mich öfter gefragt, ob ich leben oder sterben will. Und dann wurde ich krank. Ich hatte es plötzlich nicht mehr selbst in der Hand. Damals, mit Anfang 20, habe ich mir dann gedacht: „Du hast so viele Sachen überlebt und miterlebt. Es muss einen Grund geben, warum du noch da bist.“ Das hat sich über die Jahre hinweg gefestigt. Ich denke einfach, dass, wenn der da oben oder wo auch immer er sitzt, mich haben wollte, hätte er mich schon längst geholt. Ich bin der Meinung, dass bei jedem, der geboren wird, bereits feststeht, wie und wann er geht. Und ich habe für mich realisiert, dass es für mich noch nicht an der Zeit ist, zu gehen. Klar, manchmal sitze ich auch hier und denke: „Ich könnte heulen, ich habe keinen Bock mehr und warum jetzt schon wieder.“ So Tage gehören auch dazu, man darf sie nur nicht den Alltag bestimmen lassen.
Hilft dir die Bucket List an solchen Tagen?
Ja, in dunklen Momenten kann ich mich dann daran erinnern, dass ich Dinge, die ich mir vorgenommen habe, umsetzen konnte. Es ist auch immer ein gutes Gefühl, wenn ich etwas abhaken kann. Die Bucket List ist außerdem dazu da, dass man schöne Dinge nicht aus den Augen verliert. Sie ist für mich eine Art der Motivation!
Aber das Umsetzen der Punkte auf deiner Bucket List ist auch nicht immer einfach, oder? Welchen Herausforderungen stehst du gegenüber?
Eine der größten Herausforderungen ist, dass ich, wegen meinem Gendefekt praktisch kein Immunsystem habe. Laut meinen Werten müsste ich eigentlich seit zwei Jahren isoliert im Krankenhaus sein, ohne Besuch. Das ist aber aus zwei Gründen nicht umsetzbar. Zum einen wegen der Logistik, zum andern wegen der Psyche. Ich wurde immer entlassen, wenn ich keinen Infekt hatte. Im Krankenhaus selbst kann man sich ja auch einiges einfangen. Alleine einkaufen ist eine Herausforderung. Es geht nur mit Mundschutz und Handschuhen. Für mich ist das mittlerweile normal, ich sehe auch gar nicht mehr, wie mich die Leute angaffen. Nach dem Einkaufen werden die Lebensmittel erst einmal desinfiziert und angebrochene Sachen werden in Dosen gepackt.
Wenn du genau wüsstest, dass du nicht mehr viel Zeit hättest, welchen Punkt würdest du dann noch am liebsten von deiner Bucket List abhaken?
Einen „must-have point“ kann ich gar nicht wirklich benennen, weil alle Punkte eben für sich stehen. Sei es einfach, noch einmal gewisse Menschen besuchen zu können oder einen bestimmten Ort zu bereisen! Klar, es stehen auch materielle Dinge auf der Liste. Gerade wenn man sich finanziell nichts erlauben kann, sind solche Dinge auch einfach „Wünsche“.
Was mir als erstes in den Kopf kommt ist, dass ich gerne einmal den Jakobsweg machen würde… oder mit Coldplay auf der Bühne stehen. Oder ganz viel Post zu meinem Geburtstag erhalten, und damit meine ich keine Rechnungen.
Du standest in den letzten Jahren auch schon öfter an der Grenze zum Tod. Hast du Angst davor zu sterben?
Wie geht es jetzt für dich weiter?
Nach den ganzen Check-ups der letzten Wochen – vom Zahnarzt, über den Frauenarzt, dem Lungenarzt, Kardiologe, Ernährungsberater und dem Psychodoc – bin ich langsam auf der Zielgeraden. Ich werde voraussichtlich am 06. Februar stationär aufgenommen und nach einer Woche Vorbereitung kommt es dann zur Transplantation, bei der ich per Infusion das neue Knochenmark erhalten werde. Danach heißt es abwarten und hoffen, dass der Körper die neuen Zellen annimmt. Denn erst nach rund zwei Jahren gilt man als geheilt.