Ich habe Glück und muss nicht befürchten, gleich eine Backpfeife einstecken zu müssen, obwohl die Rechnung dann eigentlich beglichen wäre. So einfach wird es mir aber nicht gemacht – zu Recht.
Fehler, die man gemacht haben muss
Um des eigenen Seelenfriedens willen, und seien wir mal ehrlich, das ist wirklich erstrebenswert in einem Leben, muss man lernen, mit Fehlern richtig umzugehen. Und nein, ich meine das nicht im Sinne von Christian Lindners Kalendersprüchen wie, „Jeder ist seines Glückes Schmid“ und „Probleme sind nur dornige Chancen“.
Ich stehe unter den Nebenwirkungen des Hopfen-Malz-Hefe-Wasser-Gemischs und schaue in fragende und empörte Gesichter. Eine beklemmend peinliche Stille macht sich breit und ich bereue, nicht schnell genug ein neues Thema aus dem Ärmel geschüttelt zu haben, wie ein Falschspieler sein Ass in einer Runde Poker. Schon mal einen Witz erklären müssen? Die Flamme aus Euphorie, Spannung und Dopamin, die wären des Erzählens in einem aufflackert, erlischt augenblicklich. Übrig bleibt ein unheilvoller und dunkler Raum. Jetzt befinde ich mich unter Zugzwang. Die entstehende Stille impliziert, ich müsse jetzt was zu dem offensichtlich nicht gelungenen Witz sagen, und während ich mich erkläre, hinterfrage ich das Konzept „Humor“ als Ganzes. Was darf Humor eigentlich? Ist Humor nur eine Bewältigungsmethode, mit der wir uns in düsteren Zeiten versuchen abzulenken? Muss er immer auf Kosten von jemanden gehen? Könnte man sich nicht darauf einigen, dass jeder mal seinen Kopf hinhalten muss? Oder ist Humor einfach nicht mehr zeitgemäß, denn er bedient sich an Klischees, wie es einfach nicht mehr in ein sensibles und korrekte 21. Jahrhundert passt?
Ich öffne Instagram und sehe einen sichtlich empörten und wütenden Will Smith auf die Bühne stürmen, der in dieser schillernden Oscar-Szenerie, die sonst so exakt wie ein Schweizer Uhrwerk läuft, sich wohl die Aufgabe gesetzt hat, das sorgfältig aufgebaute Image mit einer schallenden Ohrfeige einzureißen.
Stattdessen erkläre ich mich um Kopf und Kragen. Während ich ausholen möchte und schon fast im Umfang einer wissenschaftlichen Arbeit alles erkläre, was mich zu diesem Witz gebracht hat, wo ich ihn herhabe, wieso ich ihn eine Zeit lang lustig fand, fällt mir auf, dass es gar nicht um mich geht. Ja nicht mal zwangsläufig um den Witz, sondern um die Person, die sich angegriffen fühlt oder sich angegriffen fühlen könnte, wenn sie anwesend gewesen wäre. Ich halte inne und schaue in verschiedenste Emotionsexpressionen. Von verurteilenden Richterin-Barbara-Salesch-Blicken bis hin zu mitleidsvollen Hundeblicken, alles dabei.
Ganz ehrlich, ich wollte für mein egozentrisches Selbst einen Witz erzählen. Ich wollte Anerkennungen, wie der Klassenclown aus Schultagen, der ich niemals war, was auch niemand mehr wundert. Den Stereotypen, den ich verwendete, entspricht nicht meiner Weltvorstellung und es tut mir in erster Linie leid, mit diesem Witz weiter für die Festigung solch negativen Bilder geführt zu haben. Nur durch Nennung einer Sache können sich Klischees in Köpfen verankern. Ich sollte es besser wissen. Spätestens jetzt weiß ich es besser. Hätte ich den Fehler nur nie gemacht. Oder der Erkenntnis wegen, eben doch.
Wer sich jetzt gefragt hat, welchen geschmacklosen und klischeebehafteten Witz ich erzählt habe, den muss ich enttäuschen, ihr erfahrt es nicht. Ich habe mich dazu entschieden, vor allem aufgrund der logischen Schlussfolgerung meiner Reflexion, den Witz nicht zu reproduzieren. Einmal reicht völlig aus.