Gemischter Fußball 5 Minuten

Faires Spiel trotz unterschiedlicher Geschlechter?

Julia Rudolph, umzingelt von ihren männlichen Gegenspielern, läuft nach einem Freistoß in den 16er.
Julia Rudolph im Spiel gegen die SGM VfL Kaltental / SV Heslach II. | Quelle: Laura Frech
12. Dez. 2024

Frauen in Männermannschaften sind keine Neuheit mehr. Doch wie ist es, mit einer weiblichen Mitspielerin im Team zu spielen? Marc Leitner von der SKG Botnang teilt seine persönlichen Erfahrungen aus dem gemischt-geschlechtlichen Fußballalltag.

Für so manchen Zuschauer mag es immer noch ein ungewohntes Bild sein, dass unter all den kurzgeschorenen Haaren plötzlich ein Pferdeschwanz mit zwei Zöpfen über das Fußballfeld schwingt. Für die gegnerischen Teams ist die Frau mit der Nummer 6 allerdings längst kein unbekanntes Gesicht mehr. Die Rede ist von Julia Rudolph. 

Die 24-Jährige spielt seit Sommer 2024 bei der SKG Botnang in der (Männer-)Kreisliga B4 Stuttgart/Böblingen. Ermöglicht wird ihr Einsatz durch das Pilotprojekt „Gemischtes Spielen“, das der Deutsche Fußball-Bund (DFB) in der Saison 2022/2023 ins Leben gerufen hat. Das Projekt eröffnet volljährigen Spielerinnen die Möglichkeit, im Ligaspielbetrieb der Herren zu spielen. Ein Konzept, das Julia erlaubt, ihre Fähigkeiten sowohl in einer Frauenmannschaft als auch bei den Männern der SKG Botnang unter Beweis zu stellen. Denn die Regelung besagt, dass ihr Spielrecht in der Frauenliga unabhängig von dem Spielrecht in einer Männermannschaft ist.

„Viele Spielerinnen finden in ihren Vereinen keine Spielmöglichkeit in einer weiblichen Mannschaft und müssen daher lange Anfahrtswege zu Spielen und Trainingseinheiten auf sich nehmen.“

Niklas Holderer, hauptamtlicher Mitarbeiter des Württembergischen Fußballverbands e.V.

Ein zentraler Beweggrund für die Einführung des Pilotprojekts ist die verhältnismäßig geringe Dichte an Frauenmannschaften. Im Württembergischen Fußballverband (WFV) sind 1.917 aktive Männermannschaften gemeldet, wohingegen nur 274 Vereine ein Frauenteam für den Spielbetrieb melden. „Viele Spielerinnen finden in ihren Vereinen keine Spielmöglichkeit in einer weiblichen Mannschaft und müssen daher lange Anfahrtswege zu den Spielen und Trainingseinheiten auf sich nehmen“, erklärt Niklas Holderer vom WFV. Auch Julias Fall lässt sich ähnlich beschreiben. Vor ihrem Wechsel zur SKG Botnang spielte sie für das Frauen-Regionalligateam des SV Hegnachs. Im Gegensatz zum Männerspielbetrieb ist die Regionalliga die dritthöchste Spielklasse bei den Frauen, sodass Spiele in ganz Süddeutschland ausgetragen werden – ein enormer Zeitaufwand, den es zu stemmen gilt. Aus einem Auswärtsspiel wird in dieser Spielklasse schnell ein Auswärtswochenende, denn die Distanzen sind zum Teil so groß, dass die Anreise zur Spielstätte schon am Vortag erfolgt.

Auch die Männerfußballwelt ist mit Herausforderungen konfrontiert. Immer mehr Vereine haben Schwierigkeiten, genügend Spieler für eine reine Männermannschaft zu finden, wie aus den Zahlen zur Mannschaftsentwicklung des WFV hervorgeht. Das Interesse an der Volkssportart Fußball sinkt zunehmend, viele Vereine sehen sich gezwungen, ihren Spielbetrieb einzustellen. Hier setzt das Pilotprojekt an: Durch die Möglichkeit, Frauen in Männerteams zu integrieren, sollen Kader aufgestockt und Spielgemeinschaften gestärkt werden.

Körperliche Unterschiede und technische Fertigkeiten

Doch wie sieht es mit den körperlichen Unterschieden aus – können Frauen mit Männern überhaupt mithalten? Marc Leitner, Teamkollege von Julia Rudolph, berichtet von seinen persönlichen Erfahrungen: Anfangs sei man im Team etwas zurückhaltend und unsicher gewesen, wie hart man in Zweikämpfe gehen könne. Doch nachdem sie erlebten, mit welcher Energie und Aggressivität Julia selbst in Zweikämpfe ging, legte sich diese Zurückhaltung im Handumdrehen. „Sie gibt Vollgas“, sagt Marc und hebt hervor, dass Julia von der ersten Minute an keine Kompromisse macht – auf und neben dem Platz.

Julia Rudolph erkundigt sich nach einem Foulspiel nach dem Wohlbefinden ihres am Boden liegenden Gegenspielers.
Nach einem Foulspiel erkundigt sich die 24-Jährige nach dem Wohlbefinden ihres am Boden liegenden Gegenspielers.
Quelle: Laura Frech

Ein weiteres Vorurteil gegenüber dem Frauenfußball betrifft die technischen Fertigkeiten von Mann und Frau mit dem Ball. Nicht selten wird dem Frauenfußball unterstellt, dass er langweilig, langsam und unansehnlich sei. Marc Leitner stimmt dieser These jedoch nicht zu: „Was Julia auf dem Platz bietet, ist fußballerisch erste Sahne. Da steht sie uns in nichts nach. Das Ballgefühl und Spielverständnis sind vorhanden, sodass es hier leistungstechnisch keine Probleme gibt.“ 

Frauen im Männerspielbetrieb: Unter welchen Voraussetzungen es gelingen kann

Das Pilotprojekt „Gemischtes Spielen“ wurde im Sommer 2022 für einen Zeitraum von 48 Monaten ins Leben gerufen. Nach Abschluss dieser Testphase – also im Jahr 2026 – wird entschieden, ob gemischt-geschlechtliche Teams dauerhaft in das Regelwerk des DFB aufgenommen werden. Marc Leitner steht dem Projekt nach seinen bisherigen Erfahrungen mit einer weiblichen Teamkollegin positiv gegenüber. Seiner Meinung nach sollten Frauen im Männerspielbetrieb mitmischen dürfen – allerdings nur unter der Prämisse, dass Frauen eine gewisse körperliche Robustheit und technische Voraussetzungen mitbringen. Sofern Spielerinnen jedoch höherklassig gespielt haben – wie Julia in der Regionalliga – stünden gemischt-geschlechtlichen Teams nichts im Weg, so Marc Leitner. Ganz im Gegenteil, „Julia ist ein Mehrwert für unser Team“, sagt er. Diese Aussage unterstreicht auch der zweite Tabellenplatz der SKG Botnang nach zehn Spieltagen. Julia stand in acht dieser Partien in der Startelf und trug so maßgeblich zum Erfolg der Botnanger Männer bei. Ein klares Statement, dass technisches Können und Spielintelligenz nicht vom Geschlecht abhängen.