EM 2024: Eine verpasste Chance
2014 wurde die Torlinientechnologie eingeführt, 2018 wurde der Videobeweis einer breiten Masse vorgestellt und 2022 die halbautomatische Abseitstechnologie. 2024 kommt die Connected Ball Technology und unterstützt in ihrer Funktion den Videobeweis bei Entscheidungen. Der Fußball wurde immer technologischer in den letzten Jahren. Der Wandel an sich ist nicht schlecht. Es ist sogar sehr gut, dass Fußball am Puls der Zeit bleibt und sich weiter entwickelt.
Viele gute Ideen sind entstanden und diese Einfälle haben meist auch gute Absichten und Ansätze. Aber die Umsetzung zeigt, dass das Potenzial nicht vollumfänglich ausgeschöpft wird. Insofern sorgt die schlechte Durchführung mancher Technologien für wenig Verständnis bei Fans, Verantwortlichen und inzwischen auch Expert*innen. Diese Kritik ist gerechtfertigt.
Die Connected Ball Technology
Wie funktioniert die neue Technologie bei der Europameisterschaft?
In dem Ball, der den Namen „Fußballliebe“ trägt, ist ein Sensor enthalten, der zentimetergenaue Standortdaten misst. Ein Chip im Ball und Netzwerkantennen im Stadion übermitteln die Standortdaten an die Videoschiedsrichter*innen. Es besteht aber Ähnlichkeiten zu der 2 Jahre zuvor eingeführten halbautomatischen Abseitstechnologie. Beide Technologien haben einen Chip im Ball integriert, der Standortdaten sendet. Bei der halbautomatischen Abseitstechnologie werden jedoch dazu mehrere Kameras verwendet, um die genaue Position der Spieler*innen bei einer Abseitssituation ermitteln zu können. Die Connected Ball Technology verbessert eher die Verbindung vom Chip zur Video-Area, als dass die Technologie Kameras mit einbezieht.
Aber beide Technologien sollen den Videobeweis bei der Entscheidungsfindung unterstützen. Generell ist das eine sehr gute Idee. Aber, dass in den letzten Jahren weitere technische Hilfsmittel eingeführt worden sind, vor allem in puncto Abseitsentscheidungen, lässt den Videobeweis in keinem guten Licht erscheinen. War der Videobeweis seit seiner Einführung sehr anfällig für Fehler? Wurde er dafür sehr stark kritisiert? Haben selbst Verantwortliche im Fußballkosmos den Videobeweis beanstandet?
Europameisterschaft als Spielwiese nicht genügend genutzt
Die letzten großen Fußballevents wurden als „Spielwiesen“ genutzt, um diese Technologien auszutesten. Viele Technologien wurden sinnvoll in die Fußballwelt eingeführt. Der Videobeweis ist, Stand Jetzt, sicherlich keine davon. Die Idee des Videobeweises an sich ist gut, aber dass seit nunmehr 8 Jahren Diskussionen um den Videobeweis existieren, belegt, wie unzufrieden die Allgemeinheit mit dem Hilfsmittel ist. Viele Kritiker*innen des Videobeweises wissen um das Potenzial von der Technologie und kritisieren es daher. Der Wunsch besteht, dass Fußball fair ist und die unzufriedenstellende Nutzung des Videobeweises, auch wenn die Statistik was anderes behauptet, hinterlässt einem das Gefühl, dass es eben nicht fair ist.
Es ist zweifelsohne eine gute Idee, dass die Connected Ball Technology eingeführt wird, aber diese Technologie kann eben die anderen Probleme nicht beheben. Von fehlender Kommunikation in den Stadien bis hin zu nicht ausreichender Schiedsrichterqualität. Diese Defizite führen dazu, dass der Videobeweis nicht beliebt ist. Die jetzige Europameisterschaft wäre die beste Chance gewesen, um Probleme anzugehen. Zum Beispiel die fehlende Kommunikation im Stadion zu den Fans. Die Stadiongänger*innen bekommen nicht direkt Bescheid, warum genau der Videobeweis eingeschaltet wurde. Die riesengroßen Bildschirme existieren im Stadion, welche anzeigen, dass gerade geprüft wird. Wieso kann dort nicht die überprüfte Situation auf den Videowänden abgespielt werden, sodass die Besucher*innen dies nachvollziehen können?
American Football machts vor
In anderen Sportarten funktioniert der Videobeweis komischerweise besser. In American Football beispielsweise wurde ein Challenge-System eingeführt. Dabei hat der Head-Coach zweimal pro Spiel die Möglichkeit, eine Entscheidung des Schiedsrichtergespanns, per Flaggenwurf, anzufechten. Der Schiedsrichtende überprüft dann die angefochtene Entscheidung auf dem Bildschirm. Sobald die Überprüfung vorbei ist, begründet der Schiedsrichtende per Lautsprecher im Stadion die finale Entscheidung, die entweder die vorherige Entscheidung revidiert oder bestätigt. Dieses System sollte man auf den Fußball ummünzen und in veränderter Form verwenden. So könnte dieser Videobeweis beispielsweise für mehr Verständnis in Publikum und innerhalb der Stadien sorgen. Zusätzlich wäre es kommunikativ ein riesiges Plus für die Fußballverbände, da die Fans sich endlich gehört und verstanden fühlen würden.
Ja, statistisch gesehen liefert der Videobeweis hervorragend ab. Allerdings ist immer noch wenig Akzeptanz und Wohlwollen bezüglich des Videobeweises vorhanden. Diese EM sollte die Akzeptanz des Videobeweises verbessern, indem mehr als nur die Connected Ball Technology ausprobiert wird. Solche großen Events waren schon immer die Spielwiese und es wurde mit Mut diese Spielwiese benutzt. Seit Jahren wird der Videobeweis kritisiert und es sind inzwischen verbesserte Hilfsmittel vorhanden.
Aber das Potenzial des Videobeweises ist nie richtig ausgeschöpft worden. Es braucht also derzeit Mut und neue Ideen, um ebendieses Potenzial auszuschöpfen. Stattdessen wird nur halbgares mit der Connected Ball Technology präsentiert. Wie mutlos diese Entscheidung ist, zeigt sich daran, dass die Connected Ball Technology streng genommen eine Abwandlung der halbautomatischen Abseitstechnologie ist. Wenn man das so betrachtet, ist diese Technologie keine ganz neue Geschichte. Keine Innovation, keine Revolution, keine Aufbruchstimmung für die Zukunft des technologischen Fußballs. Daher ist die EM 2024 eine verpasste Chance.
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