Diversität 4 Minuten

Inklusion als Schlüssel für eine bessere Arbeitswelt

Diversitätsbeauftragte Brigitte Schönberger
Brigitte Schönberger ist Diversitätsbeauftragte am Institut für Entrepreneurship und Innovationsforschung der Universität Stuttgart. | Quelle: Brigitte Schönberger
01. Febr. 2025

Gleichstellung und Gleichberechtigung. Begriffe, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Brigitte Schönberger gewährt einen Einblick als Diversitätsbeauftragte am Institut für Entrepreneurship und Innovationsforschung der Universität Stuttgart.

Hinweis 

Dieser Beitrag ist Teil eines Dossiers zum Thema „Arbeitswelt der Zukunft“. 

Außerdem zum Dossier gehören folgende Beiträge: 

Was bedeutet Diversität für dich, und welche Ziele verfolgt das Engagement für mehr Vielfalt?

Diversität ist in unserer Gesellschaft einfach vorhanden. Klassisch spricht man von sieben Dimensionen der Diversität – Charta der Vielfalt. Das Problem ist, dass diese nicht in Führungspositionen oder machtentscheidenden Bereichen unserer Gesellschaft abgebildet wird. Das führt dazu, dass wir eine Welt schaffen, die nur für bestimmte Gruppen gemacht ist – nicht aus böser Absicht, sondern weil wir in diesem System sind. Die Bewegung richtet sich darauf, Perspektivenvielfalt einzubeziehen und zu erkennen, dass das für die gesamte Gesellschaft gewinnbringend ist. Was bedeutet, dass einige ihren Anteil am Kuchen verkleinern müssen. Aber Diversität ist ein Werkzeug, um gemeinsam mit Gleichstellung und Inklusion eine gerechtere Verteilung zu erreichen.

Wo fehlt es deiner Meinung nach aktuell beim Thema Diversität?

Man sieht den Rechtsruck in Deutschland, und das spiegelt sich auch in der Debatte um Diversität wider. Viele glauben zu wissen, was Diversität bedeutet, weil sie den Begriff verstehen. Aber die meisten setzen sich nicht wirklich mit den Details auseinander: Beim Status-quo-Interview habe ich gemerkt, dass viele nur die bekannten Schlagworte nennen: Frauenförderung, Menschen mit verschiedenen ethnischen Hintergründen. Was Diskriminierung bedeutet und wie sie mit Machterhalt zusammenhängt, wird nicht verstanden.

Was genau machst du beruflich, und wie hängt das mit Diversität zusammen?

Ich bin wissenschaftliche Mitarbeiterin, Postdoc am Institut für Entrepreneurship und Innovationsforschung der Uni Stuttgart. Parallel dazu bin ich auch in der Institutsleitung für den Bereich Diversity und Organisationsentwicklung tätig. Aktuell baue ich meinen Forschungsbereich dazu auf. Die Idee dabei ist zu analysieren, wie unsere Gesellschaft aussieht. Leider führt das Fehlen von Maßnahmen zur Förderung dazu, dass wir oft in homogenen Gruppen landen. Klischeehaft gesprochen: „ der alte, weiße, reiche Mann“. Das System ist leider so aufgebaut, dass bestimmte Gruppen strukturell benachteiligt werden – meist Frauen oder Menschen mit anderen ethnischen oder sozialen Hintergründen.

Postdoc (selten auch Post-Doc oder im Deutschen auch Postdoktorand) ist ein wissenschaftlicher Mitarbeitender, der nach Beendigung einer Promotion den Doktorgrad erlangt hat und nun an einer Universität oder einem Forschungsinstitut befristet tätig ist.

Vom Status quo spricht man also im Allgemeinen dann, wenn man den aktuellen Stand der Dinge meint. Insbesondere sind damit auch die aktuellen rechtlichen oder wirtschaftlichen Gegebenheiten gemeint.

Was hat ein klassisches Unternehmen davon, diverser zu werden?

Edward De Bono, ein Kognitionswissenschaftler sagte: „Wenn man alle zusammentrommelt, die gleich denken, dann bekommt man vielleicht die perfekte Kutsche, aber nie das Auto.“ Das bedeutet, es fördert die Innovationskraft immens, stärkt die Resilienz und die Fähigkeit, mit den aktuell zahlreichen Krisen umzugehen. Wenn wir eine Kommunikationsebene schaffen können – woran es derzeit noch hakt – profitieren wir alle davon. Es fördert außerdem die Zufriedenheit der Mitarbeitenden. Für Kund*innen zeigt sich das auch: Wenn sie merken, dass ihre Bedürfnisse verstanden und berücksichtigt werden, fühlen sie sich besser aufgehoben. Für Mitarbeitende wiederum steigert das die Loyalität. Das ist in Zeiten des Fachkräftemangels besonders wichtig. Unterschiedliche Kommunikationskulturen treffen aufeinander, und es kann passieren, dass ein gemeinsames Verständnis nicht erreicht wird, wenn Machtpositionen verharren.

Wie kann ein Unternehmen sicherstellen, dass Diversität nicht nur auf dem Papier existiert, sondern auch wirklich umgesetzt wird?

Das ist ein kontinuierlicher Prozess. Es funktioniert nicht einfach zu sagen: „Wir haben fünf Personen aus der einen Gruppe und fünf aus einer anderen Gruppe eingestellt, also sind wir divers.“ Es braucht einen Plan für Diversität, Gleichstellung und Inklusion sowie Initiativen, die kontinuierlich vorangetrieben werden. Dazu gehören Fortbildungen in Soft Skills und Kommunikationsfähigkeiten, ein durchdachtes Recruiting-Programm und ein ständiges gemeinsames Lernen. Diversität sollte in allen Bereichen aktiv berücksichtigt und als wichtiger Wert verankert werden. Wichtig ist auch, dass diese Werte gelebt werden. Kleine Initiativen können hier helfen, wie das Abfragen und Verwenden von Pronomen, genderneutrale Formulierungen oder sichtbare Zeichen der Offenheit, wie eine Pride-Flagge.

Wie sieht für dich der ideale Arbeitsplatz der Zukunft aus?

Kein Arbeitsplatz im klassischen Sinne. Es wäre ein Ort, an den Menschen gerne kommen, gemeinsam kreieren, entwickeln und lernen. Es geht darum, Ressourcen schonend zu nutzen und eine Welt zu schaffen, in der wir gerne zusammen sind. Diversität ist dabei ein wichtiges Werkzeug.

Gibt es gesetzliche Vorgaben oder Quoten, die deiner Meinung nach sinnvoll sind, um Diversität zu fördern?

Quoten allein können dazu führen, dass Betroffene ihre Kompetenz ständig beweisen müssen oder neue Formen von Diskriminierung entstehen. Die politische Unterstützung ist wichtig, aber es braucht auch Strukturen und kulturelle Veränderungen. Es gibt gute Ansätze, aber wir stehen noch am Anfang. Wir müssen lernen, Fehler zuzulassen und unsere Ansätze weiterzuentwickeln.

Wie sieht so eine Reaktion aus?

Betroffene schildern ihre Erfahrungen, erkennen aber nicht, dass es sich dabei um Diskriminierung handelt. Oft sind es unterschwellige Bemerkungen ihrer Gegenüber. Wenn man diese anspricht, wird schnell abgewehrt mit „Das war doch nicht so gemeint“. Wir brauchen hier mehr Bewusstsein, Reflexion und Wissen. Die Intention hinter einer Aussage macht sie nicht harmlos – die Wirkung zählt.

„Wenn man alle zusammentrommelt, die gleich denken, dann bekommt man vielleicht die perfekte Kutsche, aber nie das Auto.“

Edward De Bono

Was möchtest du uns abschließend mitgeben?

Danke, dass ihr dieses Thema beleuchtet. Es betrifft uns alle.