Der Kampf um die Steuersenkung
Grob zusammengerechnet blutet eine Frau sechs Jahre ihres Lebens und verbraucht dabei circa 10.000 Tampons – das sind rund 1.500 Euro. Die hohen Kosten kommen auch durch die Steuersätze zustande. Es ist eine Steuer, die nur Menstruierende betrifft. Ende 2020 hat man das in Großbritannien als Anlass genommen, die Steuer auf Menstuationsprodukte wie Tampons, Binden und Co abzuschaffen.
In Deutschland mussten Frauen jahrelang für Hygieneartikel wie Tampons und Binden den Regelsteuersatz von 19 Prozent zahlen. Hierzulande gilt, dass für Produkte des „täglichen Bedarfs“, wie Lebensmittel, der reduzierte Steuersatz von sieben Prozent erhoben wird. Dazu gehören auch Waren, die der Bildung oder dem gesellschaftlichen Leben dienen, wie etwa Bücher oder Kunst- und Kulturangebote. Auch Feinschmecker-Produkte wie Trüffel und Gänseleber werden mit sieben Prozent besteuert. Bis 2020 aber nicht: Tampons, Binden und Co. Denn 2019 wurden diese noch als „Hygieneartikel“ deklariert. Wie Duschgel oder Toilettenpapier wurden sie so mit dem regulären Umsatzsteuersatz von 19 Prozent versteuert. Viele Frauen fanden das ungerecht, diskriminierend und forderten in mehreren Petitionen die Senkung der Steuer.
„Die Periode ist kein Luxus“
Auch die Aktivistinnen Nanna-Josephine Roloff und Yasemin Kotra hatten mit einer Petition gegen die Tamponsteuer gekämpft. „Wir fanden es wahnsinnig ungerecht und vor allem eine so offensichtliche Diskriminierung.“ Nachdem sie sich 2018 auf einem Frauenbarcamp in Hamburg kennenlernten, riefen sie rund einen Monat später zum Weltfrauentag die Petition „Die Periode ist kein Luxus“ auf der Plattform change.org ins Leben. Die Forderung: Die Mehrwertsteuer für Periodenprodukte zu senken. Innerhalb kurzer Zeit kamen über 180.000 Unterschriften zusammen. „Eine Petition schien uns der richtige Weg, um eine große Öffentlichkeit auf das Thema aufmerksam zu machen“, sagt die Hamburgerin. Damit erreichten sie Bundesfinanzminister Olaf Scholz und schließlich den Bundestag. Ende 2019 folgte dann die Abstimmung für die Gesetzesänderung in Deutschland. Im Januar 2020 wurde die Mehrwertsteuer für Menstruationsartikel von 19 auf sieben Prozent gesenkt.
Die Steuersenkung entfachte auf sozialen Netzwerken eine hitzige Debatte. Vor allem Männer verstehen die Forderung nicht und kritisieren, man könne dann bald alles kostenlos machen. Für Nanna geht es bei der Besteuerung von Tampons nicht nur ums Geld, sondern auch um Gerechtigkeit. Frauen können sich nicht aussuchen, ob sie menstruieren, und sind auf Produkte wie Tampons und Binden angewiesen. So findet Nanna, dass Hygieneartikel auch zur Ausstattung öffentlicher Toiletten gehören sollten, damit sie allen Menstruierenden jederzeit zugänglich sind. „Und jetzt, da nur noch sieben Prozenz Umsatzsteuer anfallen, wäre das ja sogar noch leichter zu finanzieren als vor 2020.“
Allerdings ist das Argument der Notwendigkeit hinfällig, wenn man sich die Steuersätze anderer Hygieneartikel anschaut. So wird auch das täglich benötigte Toilettenpapier mit 19 Prozent besteuert. Wird damit also für Menstruationsprodukte eine ungerechtfertigte Ausnahme gemacht? Während alle Menschen auf Toilettenpapier angewiesen sind, werden Periodenprodukte nur von Frauen benötigt. Diese Ausnahme könnte also für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen. Gleichzeitig bedeuten sinkende Steuersätze aber auch fehlende Einnahmen für den Staat, die wiederum an anderer Stelle fehlen könnten.
Andere Länder machen es vor
2007 hatte die Europäische Union (EU) zugelassen, die Tamponsteuer auf ein bestimmtes Minimum zu senken. Ganz wegfallen kann die Steuer allerdings nicht, da EU-Vorgaben einen Mindeststeuersatz von 5 Prozent auf Hygieneartikel vorschreiben. Irland ist in der EU eine Ausnahme – dort müssen keine Abgaben gezahlt werden, weil diese Erleichterung schon vor der EU-Regelung eingeführt wurde. Andere, nicht europäische Länder sind schon einen Schritt voraus: In Kenia, Südafrika und Kanada wurde die Steuer gänzlich abgeschafft.
Während die Debatte um die Tamponsteuer in Deutschland angekommen ist und inzwischen auch mehrere Länder erreicht hat, werden Menstruationsprodukte vielerorts immer noch als „Luxusprodukte“ eingestuft: In Schweden und Norwegen zahlt man 25 Prozent, in Ungarn sind es sogar 27. Für Nanna ist klar, dass sie mit ihrer Petition schon viel erreicht hat, aber noch längst nicht alles getan ist. „Man sucht nur nach dem nächsten Puzzle-Teil, das geändert werden muss.“