Cocktail-Kultur Stuttgart
Marco wusste schon seit früher Kindheit, dass er in der Gastronomie arbeiten will. Angefangen im Ciba Mato hat er in diversen Lokalen Stuttgarts gearbeitet, bis er dann Mitte 2015 im Paul & George als Barchef angefangen hat. Mittlerweile ist er Betriebsleiter und sorgt dafür, dass alles reibungslos abläuft. Kai hat sein Interesse für die ausgefallenen Drinks erst während des Studiums entdeckt, beim Nebenjob in einer Bar. Schnell ist ihm bewusst geworden, was mit den Mischgetränken alles möglich ist und so entstand aus seinem Interesse eine Leidenschaft. Mittlerweile steht er im Le Petite Coq als Chefbartender hinter dem Tresen.
Ziel beider Barkeeper ist es, jeden Besuch zu einem Erlebnis zu machen. „Unser oberstes Kredo: Wir sind Gastgeber und wir möchten jeden einzelnen Gast glücklich zu dieser Tür wieder hinausgehen sehen“, erzählt Kai. Vom Laien, der seine ersten Erfahrungen mit gehobenen Cocktails macht, bis hin zum Cocktailkenner – hier ist jeder willkommen. Selbst wer „nur“ ein Bier bestellt, braucht sich dafür nicht zu schämen. „Der Gast soll die Bar mit dem Gedanken verlassen: „Mensch das war ein toller Abend!“ Egal, ob er ein Bier oder einen Cocktail getrunken hat“, erklärt Kai.
Dieses Erlebnis ensteht durch den richtigen Mix aus Ambieten, Service und Getränk, behauptet Marco. So sind beide Bars einzigartig, denn obwohl Gemeinsamkeiten nicht zu leugnen sind unterscheiden sie sich in diesen drei Faktoren durchaus.
Weniger Kunden für mehr Service
Der individuelle Service wird durch eine überschaubare Größe gewährleistet. Während im Paul & George 60 Besucher Platz finden, ist das Le Petite Coq nur für knapp die Hälfte ausgelegt. Sind beide Bars voll, kommen erst neue Besucher hinein, wenn andere das Lokal verlassen. Damit der Zurückgewiesene sich nicht auf den Heimweg begeben muss, erkundigen sich die Barkeeper gerne bei anderen Mitstreitern nach einem freien Platz. „Konkurrenzdenken kommt in der Szene eher selten auf“, erklärt Marco, „lieber spielt man sich gegenseitig zu.“ Einen guten Cocktail soll man nämlich in allen gehobenen Cocktailbars Stuttgarts bekommen.
Wer auf der Karte nichts Ansprechendes findet, braucht sich nicht zu scheuen den Barkeeper darauf anzusprechen. Ob man sich von diesem überraschen lässt oder einen bereits bekannten Drink zubereiten lassen will, die Bartender erfüllen den Gästen jeden Wunsch. „Das Angebot auf der Karte gilt lediglich als Empfehlung und ist nicht in Stein gemeißelt“, scherzt Marco. Dennoch ist es nicht verkehrt sich an ihr zu orientieren. Neue Cocktails landen erst auf der Karte, wenn sie nach dem Ermessen der Barkeeper perfekt sind.
Im Paul & George liegt der Spiritousen Schwerpunkt auf Whiskey, Scotch, Bourbon und Gin, aber auch eine Vielzahl von Säften, Bieren und Weinen wird serviert. Das Le Petite Coq hält sein Angebot gemischt und breitgefächert. Man möchte sich nicht auf eine bestimmte Richtung festlegen, erklärt Kai. Eines haben beide Bars aber gemeinsam: Sirups werden selbstgekocht und Säfte frisch gepresst – in die Drinks kommen nur hausgemachte Zutaten. „Der geschmackliche Unterschied zum Fertigdrink aus der Flasche ist enorm“, bestätigt Kai.
„In der Stuttgarter Bar-Kultur ist noch viel Luft nach oben“
In den vergangen Jahren hat sich die Stuttgarter Barszene deutlich vergrößert. „Die Cocktail-Kultur ist hier aber immer noch im Wandel“, erzählt Kai, „und da ist auf jeden Fall noch Luft nach oben.“
Doch die Stuttgarter Trinkkultur hat sich in den letzten zwei Jahren stark weiterentwickelt. Warum das so lange gedauert hat, kann sich keiner der beiden erklären. Als einen möglichen Grund für das Wachstum nennen sie den Anstieg des bewussten Konsums, denn heutzutage verbräuchten die Menschen Produkte aufgeklärter und mit mehr Verstand. „Man konsumiert nicht einfach nur irgendwas, sondern genau 'Das' ", berichtet Kai. Dabei sei dieses Bewusstsein nicht vom Alter abhängig. „Uns besuchen auch Jugendliche unter 25 Jahren, die genau wissen, welchen Cocktail sie trinken wollen und wie er zubereitet sein soll“, bestätigt er.
Auch die „Gin Tonic Welle“ brachte viel Aufmerksamkeit in die heimischen Lokale. Der Drink gewann in den letzten Jahren national und international stark an Beliebtheit und diente vielen als erster Berührungspunkt mit der gehobenen Trinkkultur. „Hendricks und Monkey 47 Gin waren die Vorreiter. Als sie auf den Markt gekommen sind, haben sie den Gin-Boom mit ausgelöst“, erzählt uns Marco. 2017 hat beispielsweise das Botanical Affairs in der Weberstraße, etwa 10 Meter entfernt vom Paul & George, eröffnet. Tastings, Workshops und eine mietbare Gin Tonic Bar für Events – hier dreht sich alles um das Kultgetränk. Trotzdem ist sich Marco sicher, dass die Stuttgarter Trink-Kultur schön gemischt bleibt und keine spezifischen Longdrinks oder Cocktails bevorzugt werden.
Im Vergleich zum Rest Deutschlands muss sich Stuttgart aber nicht schämen. Der einzige Unterschied zwischen Stuttgart und anderen Städten Deutschlands ist die Anzahl der Cocktailbars. Dass man eher von Lokalen in Berlin und Frankfurt hört, sei dementsprechend keine Überraschung. Kai findet: „Im Endeffekt ist es egal, was Berliner über Stuttgarter Barkultur sagen. Die Stuttgarter sollen hier zufrieden sein und Berliner in Berlin.“