Musiktexte-Kolumne 3 Minuten

Bauch, Beine, Po –was mir der Song über meinen Körper sagen will

Matcha Latte
Symbolbild: Passendes Accessoire zur Selbstoptimierung - Matcha Latte | Quelle: Johanna Blessinger
04. Jan. 2025

Musik ist für uns alle ein Alltagsbegleiter – meist läuft sie einfach so mit, ohne viel Beachtung. Doch wenn man mal genauer hinhört, trifft sie oft genau ins Schwarze und legt den Finger auf einen wunden Punkt unseres Lebens. „Bauch, Beine, Po“ – so weit, so bekannt. Aber was genau will Shirin David uns damit eigentlich sagen?

Ich stehe in meinem Lieblingscafé, bestelle mir einen Matcha Latte (natürlich), und kaum halte ich ihn in der Hand, schleicht sich eine Melodie in meinen Kopf: „Iced Matcha Latte, zu spät beim Pilates.“ Ich schmunzle. Pilates? Ja, klar, ist doch der heilige Gral der schlanken Körper und straffen Silhouetten. Ich könnte jetzt „Body Positivity“ sagen, aber… das hätte dann doch irgendwie zu wenig Biss, oder? Also, lass uns doch lieber an „Bodyoptimierung“ glauben – eine Stunde Pilates ist ja quasi das Eintrittsticket zum heiligen Land des perfekten Körpers. Und plötzlich hat „Pilates“ für mich nichts mehr mit Entspannung zu tun, sondern mit einem ultimativen Fitness-Test, dem unaufhörlichen Marathon zur „besseren Version“ meiner selbst.

Getränk in der Hand, Kopfhörer in den Ohren – und dann rappt Shirin los: „Du willst ein’n Body? (Ja) dann musst du pushen (uh).“ Da höre ich genauer hin und denke: Moment mal, welchen „Body“ eigentlich? Habe ich nicht sowieso schon einen? „Bist du ein Hottie (ja), werden sie gucken (uh).“  Aber muss ich wirklich wollen, dass sie hinschauen? Will ich meinen „Body“ zur öffentlichen Schau stellen, nur um das kollektive Ideal zu füttern, dass nur der makellose Körper zählt?

Und dann reicht es mir. „Geh ins Gymmie, werde skinny, mach daraus eine Show,“ singt Shirin, und hier frage ich mich: Moment, meinte sie das jetzt wirklich ernst oder soll ich lachen? Klar, der Song könnte die Fitness- und Schönheitsobsession unserer Gesellschaft gnadenlos überzeichnen – quasi ein Satire-Track für den globalen Fitnesswahn. Aber wie viel Ironie ist noch gesund, bevor sie in den Wahn umschlägt? Und was passiert, wenn die „Ironie“ plötzlich zu einem Trend wird, der in jeder TikTok-Workout-Challenge landet? Ironie als Marketingstrategie, die am Ende doch nur das alte Narrativ vom perfekten Körper in poppige Beats verpackt?

 Der Song geht viral, und im Netz spalten sich die Geister. Die einen feiern den Beat, die anderen stellen dieselbe Frage wie ich: Wirklich, Shirin? Ist das jetzt Empowerment oder das nächste Body-Shaming-Massaker im HipHop -Style?

„Geh ins Gymmie, werde skinny, mach daraus eine Show“

Shirin David

Bodyimage – zwischen Britney und Body Positivity

Ich bin in den 2000ern groß geworden, in einer Zeit, in der Frauen nur eine Körperform für erstrebenswert erklärt wurde: schmal, straff, und unbedingt mit Bauchfrei-Garantie. Christina Aguilera, Britney Spears und die Pussycat Dolls posierten in winzigen Outfits und predigten uns quasi, dass ein flacher Bauch das Ziel jeder Frau sein muss. Und dann gab es noch Shows wie „Germany’s Next Topmodel“, die ungeniert über den TV-Schirm erklärten, dass es einen einzigen „Blueprint“ gibt, wie Frauenkörper zu sein haben.

Irgendwann änderte sich die Erzählung. Stimmen, die Vielfalt forderten, wurden lauter, das Spektrum akzeptabler Körperbilder breiter. „Body Positivity“ wurde ein Statement. Es waren Künstler*innen wie Shirin David, die das verkörpern wollten – oder?

Shirin hat sich stets als starke, unabhängige Frau präsentiert, die für Empowerment und Feminismus steht. In Songs wie „Babsi Bars“ spricht sie explizit über ihre Erfahrungen als Frau in einer von Männern dominierten Branche und setzt sich dafür ein, dass Frauen ihren eigenen Raum einnehmen dürfen.  Sie fordert Gleichberechtigung und betont, dass Frauen sich nicht länger hinter ihren Männern verstecken sollen. So rappt sie zum Beispiel „Die deklarier'n ein'n Minirock zu maximaler Schande
Doch 'ne Frau mit Grips im Kopf wird abgetan zu 'ner Emanze (ja)“ Doch im Song „Bauch, Beine, Po“ hört es sich plötzlich anders an. Hier wird der weibliche Körper als Ware inszeniert, die nur durch Disziplin und äußerliche Perfektion einen Wert erhält. Während sie in anderen Tracks noch die Macht der Frau feiert, scheint dieser Song das alte Ideal eines makellosen Körpers zu besingen. Das passt irgendwie nicht zu der feministischen Haltung, die sie sonst vertritt. Ist es die Marketingmaschine, die hier schon wieder rotiert? Der nächste Körpertrend, jetzt im poppigen Rhythmus verpackt?

Die Diskrepanz zwischen ihrem öffentlichen Engagement für Frauenrechte und der Darstellung eines physischen Ideals in ihrem Song führt zu der Frage: Kann eine Künstlerin wie Shirin David wirklich für das Wohl aller Frauen kämpfen, wenn sie gleichzeitig den Druck für „den perfekten Körper“ aufrechterhält?

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Hype oder Haltung?

Vielleicht liegt die Tragik wirklich darin: Dass selbst eine Künstlerin wie Shirin David, die sich für Frauenrechte stark macht, in diesem Dschungel aus Eigenvermarktung, Trends und Körperbildern auf einmal eine Zeile wie „werde skinny“ völlig unreflektiert ins Mikro singt. Klar, die Branche lebt von dieser Art von Makellosigkeit – von dem Streben nach dem „ultimativen Körper“. Aber warum muss der Kompass immer in Richtung Perfektion schwingen? Muss der Körper immer eine Währung sein? Und warum fühlt es sich so an, als wäre diese Antwort nie wirklich in unserer eigenen Hand? Ist „Skinny“ wirklich der einzige Wert, den unser Körper zu bieten hat?

Denn was hier letztlich bleibt, ist die Frage: Wer bestimmt, was ein „Body“ ist? Und warum fühlt es sich so an, als würden wir nie das Recht haben, zu antworten, ohne uns dabei selbst zu verurteilen?

Dieser Beitrag ist Teil des Kolumnenformats „Der Sound unserer Zeit". Weitere Folgen der Kolumne sind: