„Ich sehe einen deutlichen Mehrwert in der Einsparung von Dünge- und Spritzmitteln.“
Landwirtschaft 4.0 - Farmen auf der Couch?
Künstliche Intelligenzen (KI) können anhand der Detailbilder von Satelliten frühzeitig eine kranke Pflanze erkennen. Außerdem können Wasser und Pestizide präziser und somit sparsamer eingesetzt werden. Hört sich nach Science-Fiction an, ist aber heute schon möglich. Dabei spricht man von “Precision Farming“, also eine Präzisions-Landwirtschaft. Ein gezielter und individueller Einsatz ist dabei das Erfolgsrezept. Kostbares Saatgut wird zum Beispiel nur noch an besonders gewinnbringenden Abschnitten auf dem Feld verteilt. Aber nicht nur auf dem Feld kann KI nützlich sein. Auch in der Tierzucht hilft die KI, Krankheiten der Tiere vorherzusagen. Schweineställe werden überwacht, um das Verhalten der Tiere zu analysieren. Wenn sich ein Schwein besonders wenig bewegt oder auf andere Tiere besonders aggressiv wirkt, könnte das ein Indiz für eine Krankheit sein. Bei einer immer größer werdenden Landwirtschaft kann man so den Überblick behalten und gezielter handeln. Die Ernten und Erträge der Landwirte können so gesteigert werden.
Aber was ist mit der Umwelt?
Landwirt*innen stehen vor einer großen Herausforderung. Bis 2050 müssen sie laut Schätzungen der UN 9,7 Milliarden Menschen weltweit mit Nahrung versorgen. Die Umwelt soll dabei aber nicht vernachlässigt werden. Eine schwierige Aufgabe, die mit KI machbar scheint wie auch Stefan Rilling, Dozent am Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS) meint:
Durch den gezielteren Einsatz von Pestiziden können sich die ohnehin schon ausgelaugten Böden erholen. Bis jetzt werden schätzungsweise fünf bis zehn Prozent an Dünger, Pflanzenschutzmitteln und Saatgut eingespart. In Zukunft könnten auf einem Feld bis zu fünf verschiedene Pflanzen wachsen. Das stärkt das Ökosystem und die Felder sind weniger anfällig für Krankheiten. Nährstoffarme Böden könnten zu Wildkräuterwiesen werden und damit dem Insektenschwund entgegenwirken.
Die smarte Zukunft
Auch in der „Ackerbaustrategie 2035“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft spielen KI-Maschinen eine große Rolle. Diese sollen Landwirt*innen nicht ersetzten, sondern unterstützend wirken. KI in der Landwirtschaft würde laut Rilling mehr als Dienstleitung und weniger als Produkt angeboten. Damit würde sich der Beruf des*der Landwirt*in eher in Richtung Farm-Manager*in entwickeln. Die Arbeit auf dem Feld erledigen autonome Maschinen und der Mensch macht nur noch die Planung von zu Hause aus. Nicht jede Arbeit kann abgenommen werden. Ingmar Wolff ist Co-Founder und CEO von „Heliopas AI“, einem Software-Unternehmen für KI. So beschreibt er die zukünftige Arbeit in der Landwirtschaft: „KI ist eine Technologie, die nervige und monotone Arbeit überflüssig machen wird.“ Seine Firma bietet bereits eine Dienstleistung an, die Felder mithilfe von Satelliten überwacht. Wichtige Information über ein Feld werden in einer App gesammelt. Wo muss man besonders viel bewässern? Sind alle Pflanzen gesund? Somit müssen Landwirte nicht mehr selbst das Feld beobachten, sondern können bequem von zu Hause arbeiten.
Die Probleme
Bei all den guten Aussichten für Umwelt und Landwirt*innen gibt es noch immer wesentliche Probleme. Die Datenerhebung ist eines der Zentralsten. Eine KI kann nur lernen, wenn sie genügend Daten zum Auswerten hat. Bis jetzt haben die meisten Landwirt*innen aber kaum Messstationen oder sonstige digitale Datensammlungen. Meist wird nur der Ertrag erfasst, nicht aber die Herstellung. Sensorik anzubringen ist kompliziert und noch zu teuer, als dass es jeder*jede Landwirt*in machen könnte. Dabei befürchtet Christian Rehmer vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, dass die Kluft zwischen den großen Agrarbetrieben und den kleinen Höfen in ärmeren Regionen immer größer werden könne. Technisch macht auch der Netzausbau in Deutschland Probleme. Ohne ein verlässliches und schnelles Internet, vor allem auf dem Land, werden es die Maschinen gar nicht erst auf den Acker schaffen. Der Weg bis zur Landwirtschaft 4.0 ist also noch holprig, aber nicht mehr so weit entfernt, wie man es vielleicht denkt.