Es wuchert im Kessel – warum ist Wohnen in Stuttgart so teuer?
Die Nachfrage nach Wohnraum in Stuttgart ist ungebrochen groß. 2020 lag die Landeshauptstadt im bundesweiten Vergleich auf Platz zwei der teuersten Städte, bezogen auf Mietpreise für WG-Zimmer und kleine Wohnungen. Die Ursache für die hohen Preise liegt vor allem in der Übernachfrage an Wohnungen. Laut Leerstandsindex des empirica Instituts standen im Jahr 2017 weniger als zwei Prozent der Wohnungen in Stuttgart leer. Der Index wird jährlich veröffentlicht und basiert auf Zahlen des Immobilienkonzerns CBRE, des Statistischen Bundesamtes und Expert*innenschätzungen. Diese Knappheit treibt die Kauf- und Mietpreise immer weiter in die Höhe und wirkt sich gerade auf finanziell schwache Milieus aus, wie beispielsweise Studierende. Vertreter*innen von Interessenverbänden fordern dringend neuen Wohnraum, um auf die hohe Nachfrage zu reagieren. Hierfür fehlt es laut Ulrich Wecker, Geschäftsführer von Haus und Grund Stuttgart, weniger an Kapital als an ausgewiesener Baufläche.
Wie kann neuer Wohnraum geschaffen werden?
Bei der Stadtverwaltung laufen die Fäden für Bauprojekte zusammen, hier werden beispielsweise Entwicklungskonzepte erarbeitet und dem Gemeinderat vorgestellt. Stefan Hohbach koordiniert den Wohnungsbau in Stuttgart. Flächenmangel sieht er nicht als Ursache für knappen Wohnraum und beruft sich auf eine Datenbank der Stadt. Diese umfasst alle potenziell bebaubaren Flächen im Stadtgebiet und weist derzeit ein Volumen von über 20.000 möglichen Wohneinheiten bis 2029 auf. Um neue Flächen zu erschließen, hat die Stadt drei Strategien: Durch Innenverdichtung werden im Stadtkern bereits bestehende Gebäude so umgebaut oder ersetzt, dass mehr Wohnraum entsteht. Zudem werden die Ortsränder von Vororten kleinteilig erweitert, um sogenannte Arrondierungsflächen zu erschließen. Wenn auf Flächen gebaut wird, die zuvor kein Baugebiet waren, also beispielsweise landwirtschaftliche Flächen, so spricht man von Außenerweiterung, der dritten und am meisten diskutierten Strategie.
Neues Bauland auszuweisen scheiterte bislang häufig an der Uneinigkeit des Gemeinderats. Dieser besteht in Stuttgart aus Mitgliedern von dreizehn Parteien. Sie bilden acht Fraktionen, was „der Demokratie guttut, aber die Entscheidungskompetenz spürbar schwächt“, erzählt Hohbach. Da sich wirtschaftliche, soziale, ökologische und politische Argumente nur selten in Einklang bringen lassen, fällt Einigung meist schwer.
Hohe Mieten treffen vor allem Geringverdienende und Studierende
In den letzten Jahren liegen vor allem hochpreisige Wohnbauprojekte in Stuttgart im Trend, erklärt Stefan Hohbach: „Da sind wir als Stadt gefordert, dem entgegenzusteuern und unsere eigenen Flächen bei der Entwicklung mit einem höheren Anteil an gefördertem Wohnraum zu bebauen.“ Zu gefördertem Wohnraum gehören Mietwohnungen, die im Mietpreis nach oben begrenzt sind und vor allem einkommensschwachen Bürger*innen zugutekommen. Das ist auch Manfred Blocher vom Caritasverband Stuttgart wichtig. Er verweist auf die Wohnungsnotfallkartei der Stadt Stuttgart: Hier liefen bis 2019 mehr als 4.500 Voranmeldungen von Menschen auf, die dringend bezahlbaren Wohnraum benötigen. Regelmäßig erreichen Anfragen von Studierenden sein Büro, dies mache sich in den letzten Jahren zunehmend bemerkbar.
Wo setzt die Stadtverwaltung also an, um diese Probleme zu lösen? Unter Oberbürgermeister Fritz Kuhn legt die Verwaltung ein jährliches Neubauvolumen von 1.800 Wohneinheiten fest und setzt dieses auch erfolgreich um. Den Bedarf an günstigem Wohnraum deckt das allerdings noch nicht. Hinzu kommt, dass Neubau laut Hohbach nur bedingt Einfluss auf die Mietpreise in Städten hat. München hat mit 8.500 neuen Wohneinheiten pro Jahr beispielsweise ein deutlich höheres Ziel, die Mietpreise steigen im Schnitt trotzdem.
Was es also in Stuttgart braucht, ist eine klare Linie des Gemeinderates, die die Vorhaben der Stadtverwaltung unterstützt. Neuer Wohnraum bleibt in den kommenden Jahren gefragt, das steht fest. Man kann dementsprechend gespannt bleiben, wie der frisch gewählte Oberbürgermeister Frank Nopper seine Wahlversprechen umsetzen wird. Er möchte nicht nur neuen, sondern vor allem bezahlbaren Wohnraum schaffen. Hierzu wird er als Vorsitzender des Gemeinderates eine Menge diplomatisches Geschick beweisen müssen.