„Vielen ist gar nicht bewusst, dass kaum eine Großstadt von der Natur so reich beschenkt worden ist wie Stuttgart.“
Wasser wie Champagner
Das Mineralbad Leuze im Stuttgarter Stadtteil Bad Cannstatt lockt seit rund 200 Jahren Gäste aus aller Welt an. Inzwischen sind es 900 Tausend Besucher pro Jahr. „Im Leuze Mineralbad werden zum Schwimmen und Saunieren zwei stark kohlensäurehaltige Heilquellen und eine Mineralquelle genutzt“, erklärt Jens Böhm, der für die Öffentlichkeitsarbeit der Bäderbetriebe Stuttgart zuständig ist. Das Wasser öffnet die Poren, die Mineralien können durch die Haut eindringen und regen die Durchblutung an. Nach kurzer Zeit bilden sich auf der Haut kleine, prickelnde Luftbläschen – der sogenannte „Champagner-Effekt“. Dieser ermöglicht vielfältige Therapie- und Regenerationsmöglichkeiten in den Bädern. Die unterschiedlichen Heilwasser wirken gesundheitsfördernd und beugen Krankheiten vor. Ärzte bescheinigen beispielsweise eine lindernde Wirkung bei rheumatischen Beschwerden sowie bei Herz-, Gefäß- und Kreislauferkrankungen.
Woher kommt das Mineralwasser?
Stuttgart ist die Stadt mit dem größten Mineralwasservorkommen Westeuropas. Aus 19 Quellen sprudeln täglich mehr als 22 Millionen Liter mineralisiertes und teilweise kohlensäurehaltiges Wasser. Der promovierte Diplom-Geologe Ralf Laternser aus Stuttgart nennt in einem Gespräch zwei Ursprungsgebiete. Eines davon befindet sich im Gebiet des oberen Gäus zwischen Gärtringen, Sindelfingen und Renningen. Dort wird Quellwasser durch versickernde Niederschläge gebildet. Es gelangt in die dort verbreiteten und mit Spalten und Höhlen durchsetzten Schichten des Muschelkalks. Von dort fließt es in ca. zehn bis 20 Jahren zu den Quellgebieten in Stuttgart-Berg und Bad Cannstatt. Im Bereich der Quellaustritte nimmt das bisher mineralarme Muschelkalk-Wasser die dort aufsteigenden Mineralstoffe aus dem tiefen Untergrund auf. Diese geben dem Mineralwasser den heilenden Charakter.
„Ein deutlich älteres Ursprungsgebiet bildet die Schwäbische Alb“, weiß Laternser. Durch den spätvulkanischen Einfluss der Alb erwärme sich das aus Südosten fließende Wasser. Dadurch wird es mit Kohlensäure angereichert und fließt Richtung Stuttgart. Wie Laternser erläutert, eignet sich dieses mineralienhaltige Wasser jedoch nicht als Trinkwasser. Denn die darin anhaltenden Mineralien sind hochkonzentriert und nur als Arzneimittel verwendbar.
Dass Stuttgart ein großes Minereralwasservorkommen hat, liegt vor allem an der in Stuttgart häufig vorkommenden Gesteinsschicht, dem Muschelkalk. Hier kann im Untergrund über große Flächen Wasser eindringen. „Der Muschelkalk ist dabei wie eine Art Leitungssystem, das dem Gefälle nach Richtung Stuttgart fließt“, erklärt der Geologe.
Reich beschenkt – doch nicht geschätzt?
Die Landeshauptstadt ist hauptsächlich für die Autoindustrie oder aber ihr Feinstaubproblem bekannt. Das stört Ralf Laternser: „Im Vergleich zu anderen Dingen wird das Mineralwasservorkommen meines Erachtens immer relativ stiefmütterlich behandelt.“ Aber was wissen die Besucher der Landeshauptstadt und besonders die Stuttgarter selbst über das reiche Mineralwasservorkommen? Dazu meint Jens Böhm:
Denn dass eines dieser Geschenke verschiedene Trinkwasserbrunnen in der Stadt sind, dürfte vielen Stuttgartern unbekannt sein. Damit sich dies ändert, zeigt folgende Karte, wo sich diese öffentlichen Trinkbrunnen genau befinden:
Auch vor dem Leuze Bad steht einer dieser 19 öffentlichen Trinkbrunnen. Wasser sprudelt hervor. Die Badegäste gehen achtlos an ihm vorbei. Ohne zu ahnen, was dieser Brunnen ihnen bieten kann.