Schule der Zukunft 4 min

TikTok im Klassenzimmer

Mädchen sitzt mit einem Smartphone in der Hand im Klassenzimmer
Durch geregelten Umgang kann ein Smartphone zum didaktischen Lehrmittel im Unterricht werden. (Symbolbild) | Quelle: Annika Pernes
15. Mai 2024

Digitale Tafeln, Tablets für Schüler*innen, gleichzeitig ein striktes Handyverbot. Ganz nach dem Motto: Das Internet ist für uns alle Neuland“, verteufeln Schulen die sozialen Medien. Dass es auf TikTok und Co. aber auch lehrreiche und wichtige Inhalte gibt, wird gekonnt übersehen. Schulen müssen endlich aktiv in den Ozean der sozialen Netzwerke eintauchen, denn auch das bedeutet Digitalisierung. Ein Kommentar.

TikTok, Instagram und YouTube sind heutzutage ein fester Bestandteil im Leben der neuen Generationen. Goethe und Gretchen verlieren gegen Bianca Heinicke und Julienco, Taylor Swift und Travis Kelce, Twenty4tim und Kim Virginia. Wieso macht man sich also nicht die Interessen der Jugend zunutze und erzeugt einen interessanten und alltagsorientierten Unterricht? Wenn Teenager den richtigen Umgang mit sozialen Medien lernen, können diese keine große Gefahr mehr darstellen. 

Seit Jahren beklagen Lehrer*innen die mangelhafte digitale Ausstattung in Klassenräumen. Scheinbar fällt dabei aber keinem auf, dass in jedem Klassenraum Lehrmittel im Wert von mehreren Tausenden Euro liegen. Smartphones, die sich hervorragend als Bildungswerkzeuge eignen. Oftmals ist die Nutzung aber wegen Ablenkungsgefahr untersagt. Aber liegt das Problem wirklich bei der vermeintlich „Internetgeschädigten“ Jugend von heute? Das Problem ist eher Langeweile, weil der Unterricht zu eintönig gestaltet wird. 

Ein Mädchen legt ihr Smartphone in eine spezielle Aufbewahrungskonstruktion.
Lehrer scheuen sich oft davor, Smartphones einzusammeln, da sie im Fall von Schäden haftbar gemacht werden könnten. Deswegen gibt es in vielen Klassenzimmern spezielle Aufbewahrungssysteme, welche die Kinder selbst bedienen müssen. (Symbolbild)
Quelle: Annika Pernes

Auch Eltern wissen nicht, was ihre Kinder im Netz treiben

Kinder verbringen ihre Freizeit oft ohne Aufsicht auf YouTube, TikTok und Instagram. Potenzielle Gefahren wie Pornografie, Verschwörungstheorien oder Hass sind allgemein bekannt. Trotzdem ist die Zuständigkeit für den Schutz der Kinder davor nicht festgelegt. Ja, die Plattformen sollen mehr dafür tun. Ja, der Staat soll mehr regulieren. Ja, die Eltern müssen auf ihr Kind aufpassen. Und die Schule? Sie ist durch Verbote von Smartphones und sozialen Netzwerken fein raus aus der Verantwortung. 

Obwohl es Altersbegrenzungen seitens der Plattformen gibt, ist das Internet ein wichtiger Teil der Lebenswelt von Kindern der aktuellen Sekundarstufe. Irgendwo müssen diese doch den Umgang mit TikTok lernen, wenn von der Regierung nichts kommt und die Eltern selbst überfordert sind. Besonders dann, wenn die Verhältnisse Zuhause schwierig sind, sollten die Schulen für eine gute Allgemeinbildung sorgen. Auch im Netz. Gamifizierung und schulinterne Bildungs- oder Simulationsplattformen wie Microsoft Teams oder Schule@BW reichen dafür einfach nicht. Einige Schulen kaufen deswegen externe Medienpädagogen ein. Oberflächliche Präventionsvorträge von Wildfremden bewirken aber eher wenig. Warum? Diese Generation ist die Erste, die als „Digital Natives“ von klein auf mit der Online-Welt aufwächst. Sie wissen es sowieso besser als der Durchschnittserwachsene". Man muss also mit den Kindern arbeiten, nicht gegen sie.

Was Experten sagen

„Das Handy ist ein interessantes didaktisches Mittel.“

Markus Gerstmann, Medienpädagoge

„Ich finde es schwierig, dass Erwachsene den Kindern erklären, wie das digitale Leben funktioniert. Für mich sind die Kinder die Expert*innen in der digitalen Lebenswelt.“ 

Markus Gerstmann, Medienpädagoge

Eltern sind größtenteils dafür zuständig, ihren Kindern den Umgang mit sozialen Medien beizubringen."

Phillipe Wampfler, Lehrer und Fachdidaktiker

Unsere Schule nutzt Microsoft Teams als soziales Netzwerk, denn die Mechanismen von Social Media sind in Teams komplett abgebildet. Wir erleben dort so wie im Alltag, was es bedeutet, sich online adäquat zu verhalten."

Phillipe Wampfler, Lehrer und Fachdidaktiker

Die Lösung ist einfach

Heutzutage haben deutsche Schulen ein Zeit- und Personalproblem. Deswegen kommen wichtige Themen wie Medienkompetenz, ungewollt zu kurz. Ein neues Internet-Fach? Es geht einfacher. Das Lehrpersonal kann stattdessen bestehende Unterrichtsinhalte mit den sozialen Medien verknüpfen. Die Tafel ist schon lange nicht mehr das einzige Bildungswerkzeug im Raum. Es ist sogar interessanter, wenn Inhalte nicht immer über den Frontalweg vermittelt werden. Auf YouTube und auch TikTok gibt es zum Beispiel spannende Erklärvideos. Schon seit 10 Jahren lernen Kinder mit dem Ohrwurm über die Mitternachtsformel vom YouTuber Dorfuchs", wie man Gleichungen löst.

Im Deutschunterricht könnte man eine neue Literaturepoche einläuten und die verstaubte Textanalyse erweitern. Auch heute gibt es phänomenale Schriftsteller*innen und Autor*innen. Überhaupt, wieso werden an Schulen nur Texte analysiert? Die neuen Medien wie Film, Radio, Podcast und vor allem auch Influencer bedienen sich auch vielen teils fragwürdigen Stilmitteln, um unsere Aufmerksamkeit zu erregen. Die heutige Jugend kann sich einfach nicht mehr mit Goethe und Gretchen identifizieren, das ist nun wirklich nicht mehr zeitgemäß. 

Fünf Ideen für Social Media im Unterricht

- Abwechslung und Konzentration -

Für kurze Pausen eignen sich Dance Workouts auf YouTube. 

- Diskussionskultur stärken -

Aktuelle Themen und Trends der sozialen Medien können im Unterricht, unter Anleitung eines Pädagogen, besprochen werden.

- Kreativität und Spaß -

Schüler*innen können Projekte nicht nur als Plakate oder Modelle, sondern auch als Blogs, Videos oder Instagram-Posts gestalten.

- Gedächtnistraining -

Kurzvideos auf TikTok können Vokabeln oder Begriffe auf kreative und unterhaltsame Weise vermitteln. 

Gerade deswegen ist es wichtig, dass Lehrende und Schulleitungen endlich die Initiative ergreifen und einen eigenen Weg suchen, um konstruktiv mit den sozialen Netzwerken umzugehen. Für die neuen Generationen war das Internet nie Neuland, sondern immer Heimat. Als Vorbild müssen Schulen jetzt lernen, mit den Problematiken umzugehen und die Vorteile von TikTok, Insta und Co. zu nutzen. Wenn wir weitermachen wie bisher, wird sonst mindestens eine Generation ohne fundiertes Medienbewusstsein ins Leben entlassen.

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