„Trotz der oberflächlichen Gewalt transportiert die Serie eine Botschaft. Sie hinterfragt den Wert und die Art des Zusammenlebens."
Squid Game auf dem Schulhof
In Squid Game spielen verschuldete Menschen in Kinderspielen um Leben, Tod und viel Geld. Mehr als 111 Millionen Menschen sollen die südkoreanische Thriller-Serie bereits gesehen haben. Damit legte die Serie den bisher erfolgreichsten Start auf Netflix hin.
Woher kommt dieser Erfolg? Für Prof. Dr. Oliver Zöllner, Experte für Medienforschung an der Hochschule der Medien Stuttgart, liegt das zum einen an der spannenden Geschichte und der Entwicklung der Figuren, sowie der schauspielerischen Leistung. Zum anderen aber auch an der grafischen, comichaften Aufmachung der Szenerie, die im Kontrast zur brutalen Gnadenlosigkeit der Gewaltszenen steht. Er schaut die Serie aber nicht nur als Rezipient, sondern auch als Wissenschaftler: „Trotz der oberflächlichen Gewalt transportiert die Serie eine Botschaft. Sie hinterfragt den Wert und die Art des Zusammenlebens. Welche Art von Menschen wollen wir sein? Was ist uns wichtig im Leben? Welche Rolle haben Status, Geld und Erfolg? Das wird ganz tief verhandelt“, erklärt Zöllner.
Laut dem Medienforscher lädt die Serie die Zuschauer*innen wiederholt dazu ein, zu hinterfragen, wie man selber handeln würde. Er spielt dabei vor allem auf die finalen Szenen der ersten Folge an, in denen die Kandidat*innen wählen können, ob sie weiter am Spiel teilnehmen möchten. „Ich habe als Mensch die Wahl, etwas zu machen oder nicht zu machen. Dafür trage ich dann aber die Verantwortung. An dieser Stelle kann man sagen, wird eine Art Ethikgrundkurs vorgeführt“, erklärt Oliver Zöllner.
Der Hype um Squid Game ist riesig und obwohl die Serie in Deutschland erst ab 16 Jahren freigegeben ist, macht er auch vor den Schulhöfen nicht Halt. Medienberichten zufolge ahmen Kinder die modifizierten Kinderspiele nach. Konkret handelt es sich hierbei um das Spiel Rotes Licht, Grünes Licht, das stark an Ochs am Berg erinnert. Die Verlierer*innen scheiden aber nicht aus, sie werden erschossen.
Erste Fälle davon wurden nach Berichten des Sterns im Belgischen Erquelinnes bekannt. Dort wurden die Verlierer*innen von ihren Mitschüler*innen verprügelt. Laut Angaben der Zeit riefen sich Vorschulkinder in einer Kindertagesstätte im schleswig-holsteinischen Pinneberg dabei die Worte „Ich töte dich“ zu. Weitere Medienberichte aus Deutschland bestätigten, dass es sich nicht um Einzelfälle handelt.
Experten warnen nun davor, die Serie mit Kindern und Jugendlichen anzuschauen. Oliver Zöllner schließt sich dem an: „Meiner Meinung nach ist die Serie eigentlich erst ab 18 freizugeben“, legt sich Zöllner fest. „Dass Kinder diese Serie sehen und dann auch sogar noch nachspielen, finde ich ziemlich entsetzlich“, fügt er hinzu. Er kann aber verstehen, dass die Serie auch bei Kindern ein großes Thema ist. „Genau wie bei Erwachsenen, scheint auch bei Kindern die Brutalität oder die Absurdität der fiktiven Spielsituation eine Faszination auszuüben“, vermutet Zöllner, der weiß, wie schnell sich dieser Hype auf den Schulhöfen ausbreiten kann.
„Dass Kinder diese Serie sehen und dann auch sogar noch nachspielen, finde ich ziemlich entsetzlich."
„Auch mein zehnjähriger Sohn kennt schon irgendwelche Storylines aus dieser Serie, hat aber noch nie wirklich eine Sekunde davon gesehen“, berichtet Zöllner aus seinem Alltag. Er nimmt die Eltern in die Pflicht: „Da sind vor allem die Eltern gefordert, mit ihren Kindern zu sprechen und zu fragen, warum sie das nachspielen wollen. Ist das schön, so zu tun, als erschieße man jemanden? Warum machst du das und woher hast du das? All das wäre zu erfragen.“ Den Macher*innen von Squid Game weist er keine Schuld zu, betont aber: „Die Serie ist in Deutschland nicht ohne Grund erst ab 16 Jahren freigegeben."
Kinder und Jugendliche könnten die Serie weder mediensoziologisch, medienpsychologisch noch ethisch einordnen, meint der Medienforscher weiter. „Menschen unter 18 Jahren sind in ihren Welt- und Wertebildern oft noch nicht so gefestigt, dass sie mit den gezeigten Konflikten differenziert umgehen können“, warnt Zöllner und fügt hinzu: „Das ist teilweise für Erwachsene noch schwierig. Insofern ist das nichts für Minderjährige.“