Bundeswehr

Soldaten sind anders

Mein Alltag bei der Bundeswehr hat mich stärker geprägt, als ich gedacht habe.
12. Dez. 2022
Nach zwei Jahren als Fallschirmjäger bin ich zurück im zivilen Leben. In dieser Kolumne räume ich mit Vorurteilen auf und erzähle, was sich andere von den Jungs und Mädels in Flecktarn noch abgucken können.

Hinweis

In diesem Text verzichtet die Autorin auf das Gendern, da es im Sprachgebrauch der Bundeswehr nicht üblich ist. Die Autorin überträgt diese Praxis auf ihre Kolumne, die zu großen Teilen von ihrer eigenen Zeit als Soldatin handelt. Eine separate Folge ihrer Kolumne zum Gendern gibt es hier.

Davon abgesehen wird beim edit.-Magazin durchgehend gegendert.

Wenn ich Bilder meiner Kommilitonen auf Instagram sehe, wie sie zusammen Geburtstag feiern oder Kaffee trinken, muss ich immer wieder feststellen, dass mir nicht gelungen ist, was für andere selbstverständlich scheint: Freunde finden. Bitte nicht falsch verstehen. Ich habe schon ein paar People mit denen ich Gruppenarbeiten erledige oder mich mal für ein Abendessen treffe. Aber Freunde? Das ist schon ein starkes Wort. Ich habe nicht das Gefühl mit irgendjemandem in der Uni auf derselben Wellenlänge zu sein. Oder sollte ich sagen, im selben Takt zu marschieren?

Anfangs dachte ich nur, dass ich nach meiner Zeit bei der Bundeswehr einfach anders geworden bin. Nicht mehr weiß, wie mit Zivilunken umzugehen ist. Eine amerikanisch-deutsche Studie belegt das sogar. Soldaten seien demzufolge nach ihrem Dienst weniger umgänglich als Zivilisten. Man sollte meinen, dass zwei Jahre Dienstzeit etwas wenig sind, damit ein Charakter eine 180 Grad-Wendung hinlegt. Ein langes Gespräch mit meiner besten Kameradin hat jedoch gezeigt, dass das wohl doch ausreicht. Auch sie kommt mit der normalen Welt nur halbwegs zurecht. Und sie hat sich sogar einige Monate früher von Uniform und G36 verabschiedet.

„Wehe du kackst als Frau ab“

Erschwerend kommt für uns natürlich dazu, dass wir als Mädels in einem Verein mit 87-prozentiger Männerquote unterwegs waren. Die Fragen, die uns „draußen“ begegnen, kann sich jeder vorstellen: „Wurdest du da oft belästigt?“ oder „Stimmt es, dass man da als Frau „rumgereicht“ wird?“ Es ist erschreckend, was für ein Bild in der Gesellschaft gezeichnet wird. Auch hier auf edit. Ein Artikel zitiert eine Soldatin so: „Wehe, du kackst als Frau ab, dann wird mit dem Finger auf dich gezeigt. Wenn ein Mann abkackt, dann ist das nur einer unter vielen.“

Diese Aussage ist falsch. Bei der Bundeswehr wird jeder auf den Ernstfall vorbereitet. Die Truppe ist nur so stark, wie ihr schwächstes Glied. Keiner will einen Kameraden neben sich, der abkackt. Das bedeutet nämlich das Gewicht von zwei Waffen, zwei Rucksäcke und im schlimmsten Fall von zwei Körpern mit sich rumzuschleppen. Und das ist scheiße schwer. Egal, ob Mann oder Frau. Jeder muss zeigen, dass er ein Gewinn für die Truppe ist. Und ich kann dank eigener Erfahrung laut sagen: Eine Frau, die sich bei der Bundeswehr beweist – und ich meine nicht durch sexuelle Gefälligkeiten –, kann sich der Wertschätzung ihrer Kameraden gewiss sein. Auf kritische Blicke bin ich vor allem außerhalb der Kaserne gestoßen.

Schlurf, Schlurf, Schritt ist nichts für mich

Den Helm setzt dem Ganzen aber die Tatsache auf, dass ich in einer mehrjährigen Beziehung mit einem aktiven Soldaten und damit immer noch im Gleichschritt stecke. Einfach in einem anderen Tempo als der Rest. Ich kenne Links, Zwo, Drei, Vier und kann mit Schlurf, Schlurf, Schritt nur wenig anfangen. Es muss zackig gehen. Fünf Minuten vor der Zeit, sind des Soldaten Pünktlichkeit. Der Versuch, es etwas ziviler angehen zu lassen, ist gescheitert. Ist einfach nichts für mich.

Mittlerweile habe ich mich damit abgefunden, dass ich wohl nicht mehr Teil der Partybilder werde. Dafür gibt es von mir Fotos mit Sturmgewehr in der Hand und Fallschirm auf dem Rücken. Und mit diesem Wissen ist es wieder etwas entspannter Stories auf Instagram zu betrachten.  

Eine weitere Folge der Kolumne Nach Uniform kommt Unileben" findet ihr hier.