Feminismus 4 Minuten

Pippi Langstrumpf - Vorbild und das ganz ohne Agenda

Pippi Langstrumpf schaut verträumt
Zeichnung von Pippi Langstrumpf | Quelle: Ann-Kristin Gäckle
17. Mai 2024

Astrid Lindgren schrieb vor allem für Kinder und nicht für politische Bewegungen. Warum der Slogan „Sei Pippi, nicht Annika“ verpasst hat, um was es beim Feminismus eigentlich geht.

„Ich mache mir die Welt widde, widde, wie sie mir gefällt“. So kommt Pippi Langstrumpf singend mit ihrem Pferd und ihrem Affen in der Villa Kunterbunt an. Das kleine und gleichzeitig stärkste Mädchen der Welt hat sich mit ihrer Abenteuerlust, ihrem Mut und ihrem Gerechtigkeitssinn in viele kleine und große Herzen geschlichen. Nächstes Jahr wird Pippi Langstrumpf 80 Jahre alt, und immer noch sind ihre Geschichten in den Bücherregalen vieler Kinder zu finden. Als Vorbild hat sie mehrere Generationen begleitet und beeinflusst. Aber was macht Pippi eigentlich nach so vielen Jahren noch so beliebt?

„Sei Pippi, nicht Annika“

„Sei Pippi, nicht Annika“ – ein Slogan, der polarisiert. Dieser Satz ist seit ein paar Jahren auf vielen Postern, Tassen, Postkarten etc. zu sehen und wird immer wieder von feministischen Bewegungen aufgegriffen. Gemeint ist, dass man als Frau mutig, unkonventionell und am besten nicht zu angepasst sein sollte. Doch wenn man genauer hinschaut, hat dieser Spruch verpasst, worum es beim Feminismus eigentlich geht. Nicht jede Frau kann immer mutig, stark und abenteuerlustig sein. Und Pippi dann gegen Annika auszuspielen und sie als Mauerblümchen dastehen zu lassen, wäre sicher nicht im Sinne Astrid Lindgrens gewesen. Pippi Langstrumpf und Annika sind Freunde und funktionieren super in ihrer Andersartigkeit. Dieser Meinung ist auch die Leadership Coachin Pamela Gustavus: „Feminismus, wie ich ihn verstehe, ist für alle Menschen, Frauen und Männer da. Nicht nur für die lauten, extrovertierten Pippis dieser Welt, sondern auch für die zurückhaltenden und introvertierten Annikas.“ Sie sagt, dass sie an manchen Tagen lieber Pippi und manchmal lieber Annika ist. Ein Schubladendenken bringt uns hier nicht weiter. Am Ende des Tages brauchen wir beide, um die Welt ein bisschen bunter zu machen.

Pippi Langstrumpf hat diese Art von feministischem Subtext auch überhaupt nicht nötig. Sie wird nicht unterdrückt oder kämpft gegen irgendetwas an. Sie ist einfach da und macht sich die Welt, wie sie ihr gefällt. Das macht die Geschichte von Astrid Lindgren so erfrischend und ist vielleicht der Grund, warum die Figur auch für so viele Jungs ein Vorbild ist.

Astrid Lindgrens Agenda

Meiner Meinung nach hatte Astrid Lindgren in ihren Büchern weder eine feministische Agenda noch sonst eine politische Ideologie verfolgt. Laut der Literaturwissenschaftlerin Dr. Inger Lison hat sie sich beim Schreiben zumeist keinen literarischen Trends gebeugt. Auf die Frage, für wen sie ihre Geschichten geschrieben hat, antwortete Astrid Lindgren: „für sie [die Kinder] hatte ich ja geschrieben. Oder, richtiger gesagt, für das Kind in mir, das noch immer nach Büchern hungert.“

Inger Lison beschreibt die Pippi Langstrumpf-Geschichten von Astrid Lindgren als einen Schutzraum, in welchem Kinder auf literarischer Ebene das ausleben können, was in der Realität vielleicht nicht möglich war. Ich würde also sagen, Astrid Lindgrens Agenda war wenn dann genau dieser Schutzraum für Kinder. Ein Schutzraum, in welchem Kinder Kinder sein konnten und nicht kleine Erwachsene.

„... für sie [die Kinder] hatte ich ja geschrieben. Oder, richtiger gesagt, für das Kind in mir, das noch immer nach Büchern hungert.“

Astrid Lindgren

Außerdem erklärt die Literaturwissenschaftlerin, dass es für die Leserschaft möglicherweise unerheblich ist, mit welcher Intention Astrid Lindgren ihre Bücher geschrieben hat. Nach dem Konzept der „Rezeptionsästhetik“ geht es vor allem darum, was der Text mit den einzelnen Leser*innen macht: Der Sinn eines Textes wird von den Leser*innen selbst mitgeschaffen. Wenn man die Texte also mit einer feministischen Brille liest, dann wird man womöglich auch Elemente wiedererkennen, die diese These bestätigen. Astrid Lindgren jedoch eine Ideologie oder eine feministische Agenda zu unterstellen, ist diskussionsbedürftig.

Astrid Lindgren schrieb vor allem für Kinder und nicht für den Feminismus oder sonstige Bewegungen. Ihre Geschichten sind dazu da, die Fantasie zu beflügeln und Kinder dazu zu ermutigen, sie selbst zu sein und sich zu akzeptieren. Lison nennt hier das schöne Beispiel, als Pippi von der Apothekerin ein Mittel gegen ihre Sommersprossen angeboten bekommt. Pippi lehnt dankend ab mit dem Hinweis, dass sie ihre roten Haare und Sommersprossen sehr gerne hat. Wir dürfen selbst entscheiden, was die Figur Pippi Langstrumpf mit uns macht und in welcher Hinsicht sie für uns Vorbild ist. Ob du dich nun mehr mit Annika, Tommy oder Pippi identifizierst, ganz egal: Lasst uns Pippi Langstrumpf als Inspiration für die kindliche Autonomie, Selbstbewusstsein, Kreativität und Gerechtigkeitssinn feiern.

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