Schicksalsschlag

Ein Leben ohne Dich

Das letzte Weihnachtsfest, welches Angela mit ihrem Ehemann Michelangelo und der gemeinsamen Tochter Francesca verbringen durfte.

Inhaltswarnung für Leser*innen:

Dieser Artikel kann Themen enthalten, die als diskriminierend und verletzend empfunden werden könnten. Der Text beschäftigt sich mit folgenden sensiblen Inhalten: Verkehrsunfall mit Todesfolge. Bitte sei dir dessen bewusst und lies den Artikel entsprechend deiner persönlichen Sensibilität. Unsere Absicht ist es, respektvoll und einfühlsam zu berichten, um die Würde der betroffenen Personen zu wahren.

22. Jan. 2023
Hochzeit, Haus und Kind – Angela führte ein glückliches Familienleben, bis ihr Ehemann bei einem tragischen Verkehrsunfall ums Leben kam. Trotz ihres Schicksalsschlags muss sie stark bleiben für ihre zwei kleinen Kinder.

Es sind die frühen Morgenstunden des 28. Mai letzten Jahres, die Angelas Leben für immer verändert haben. Der Schock ist ihr noch immer ins Gesicht geschrieben, auch Monate danach. Ihr Ehemann und der Vater ihrer zwei kleinen Kinder verstirbt bei einem schweren Verkehrsunfall als Beifahrer. Michelangelo wurde nur 30 Jahre alt.

Angela Adamo ist 26 Jahre alt und gelernte Kauffrau für Dialogmarketing. Sie ist in Pforzheim aufgewachsen, jedoch stammen ihre Eltern ursprünglich aus Italien. Als sie 15 Jahre alt war, lernte sie den damals 19-Jährigen Michelangelo kennen. „Er war schon immer ein Freund meines Cousins. Eines Tages schrieb er mich auf Facebook an und fragte, ob wir etwas trinken gehen möchten und ich sagte zu“, erzählt Angela. Nach mehreren Treffen verliebten sich die beiden Teenager ineinander: „Wir haben schnell gemerkt, dass es gut zwischen uns läuft und wir uns gut verstehen. Im Dezember 2011 fragte er mich, ob ich mit ihm zusammen sein möchte. Fünf Jahre später, machte er mir schließlich einen Heiratsantrag. Ich war sehr glücklich darüber“, schwelgt die junge Frau in Erinnerungen.

Liebe über den Tod hinaus

Wenn sie an die glücklichen Jahre denkt, sorgt dies für ein Lächeln in ihrem Gesicht. Sie haben elf Jahre zusammen verbracht und jedes Erfolgserlebnis gemeinsam gefeiert. „Wir waren wie füreinander bestimmt. Für mich hätte es keinen besseren Ehemann geben können“, erklärt Angela. Er sei gut zu ihr gewesen und selbst nach elf Jahren Beziehung, sei die Luft noch lange nicht draußen gewesen. Umso schwerer sei es nun, ohne ihn leben zu müssen.

Nur wenige Tage vor dem Unfall erfuhr Angela, dass sie schwanger ist. Sie hat es lange für sich behalten, weil sie ihren Mann nicht enttäuschen wollte, falls es doch nicht klappen sollte. Ein paar Tage später wurde die Schwangerschaft vom Frauenarzt bestätigt und die Freude hätte für das Paar nicht größer sein können. Michelangelo hat nie erfahren, dass es ein Junge wurde. Das Kind trägt nun seinen Namen.

Die letzten Augenblicke

Angela verbrachte den letzten Tag mit Michelangelo zusammen. Sie hatten einen gemeinsamen Nebenjob, bei dem sie sich etwas dazuverdienten. Bis abends arbeiteten sie zusammen an jenem Freitag und normalerweise würden sie danach immer zu Angelas Eltern gehen, um gemeinsam zu Abend zu essen. Diesmal war es jedoch anders: „Alle Routinen die wir hatten, wurden an diesem Tag gebrochen. Ich wünschte, wir hätten den Abend einfach zusammen verbracht. Dann wäre das alles nicht passiert“, bedauert Angela. Michelangelo war für den Abend mit einem guten Freund verabredet, weshalb er nach Hause fuhr. Sie verabschiedeten sich für immer.

An diesem Baum prallte das Auto mit über 200 Stundenkilometern auf und geriet sofort in Flammen.
Das Paar sammelte viele schöne Momente mit der gemeinsamen Tochter Francesca.
Angela schaut sich gerne noch alte Bilder an, um an glückliche Tage zu denken, wie hier in Heidelberg.

Der alles verändernde Unfall

Die damals schwangere Angela verbrachte den späten Abend zu Hause mit ihrer Tochter, während Michelangelo mit seinem Freund ausging. Das Paar telefonierte gegen 23:30 Uhr miteinander: „Mein Mann sagte mir, dass er bald kein Akku mehr habe und dass ich mich schon schlafen legen könne, da er bald nach Hause käme. Ich konnte nie schlafen, wenn er nicht zu Hause war. Er hat immer auf mich gewartet, wenn ich unterwegs war und ich tat dasselbe.“ Nichts ahnend legte sie sich ins Bett. Währenddessen veränderten sich jedoch die Pläne von Michelangelo und seinem Freund. „Ich habe erst nach dem Unfall erfahren, dass mein Mann und sein Freund ein Weinfest besuchen wollten. Das hatte er mir bei unserem Telefonat nicht mitgeteilt“, erklärt sie.

Auf dem Hinweg kam es zum Autorennen mit einem anderen Fahrzeug. Die Polizei bestätigte, dass beide Fahrzeuge die erlaubte Geschwindigkeit von 100 Kilometer pro Stunde deutlich überschritten: „Ein Sachverständigungsgutachten hat ergeben, dass das verunfallte Fahrzeug die zulässige Höchstgeschwindigkeit mindestens um das Doppelte überschritten hat“, teilt Henrik Blaßies, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Karlsruhe, mit. Michelangelos Freund verlor die Kontrolle und sie prallten um 0.26 Uhr gegen einen Baum. Das Auto geriet in Brand und beide waren sofort tot. „Ich wollte unbedingt an die Unfallstelle fahren, um mir selbst ein Bild davon zu machen, was passiert war. Drei Tage später fand ich an der Unfallstelle seine Uhr, die exakt um 0.30 Uhr stehen geblieben war“, erzählt Angela fassungslos.

Die schreckliche Nachricht

Mittlerweile war es sieben Uhr am Morgen und Angela hatte immer noch keine Ahnung, was mit ihrem Mann passiert war. Sie beschloss sich selbst auf die Suche zu machen: „Ich habe mich so hilflos gefühlt, abzuwarten bis mir jemand eine Erklärung gibt. Es hat mir keine Ruhe gelassen und ich wollte ihn suchen gehen. Aber so weit kam es gar nicht.“ Erst um 08.30 Uhr sah Angela, wie die Polizei vor ihrem Haus parkte und bei ihr klingelte. Es war klar, dass etwas passiert sein musste aber mit dem Tod habe sie nicht gerechnet: „Ich dachte, dass es vielleicht eine Auseinandersetzung gegeben haben muss oder dass die Jungs vielleicht zu viel getrunken hatten. Mit so einer schrecklichen Nachricht, habe ich einfach nicht gerechnet.“

Mit so einer schrecklichen Nachricht, habe ich einfach nicht gerechnet.

Angela Adamo

Die Polizei stand nun samt Seelsorger in ihrem Wohnzimmer: „Der Polizist konnte den Satz nicht aussprechen, was mit meinem Mann passiert war. Er sah mich und meine kleine Tochter und hat es nicht übers Herz gebracht. Er wiederholte ständig nur, dass es ihm leidtut“, erklärt Angela mit zittriger Stimme. „Ich wollte es nicht wahrhaben. In dem Moment habe ich mir alles andere gewünscht.“

Eine Welle der Emotionen sei auf Angela eingeschlagen: „Ich habe eher sauer und wütend reagiert, weil ich nicht verstehen konnte, warum man mir erst Stunden später diese Nachricht überbringt. Ich war total im Schockzustand und mein Körper war regungslos. In dem Moment war ich ein ganz anderer Mensch“. Erst nach dem Schockzustand sei sie in Tränen ausgebrochen und zu Boden gefallen.

Der Weg zurück in den Alltag 

Der Unfall ist nun schon fast acht Monate her. Angela musste einen Weg finden, mit ihrer Trauer umzugehen. Nicht nur für sie ist das wichtig, sondern auch für ihre zwei kleinen Kinder. Damit sie lernt mit ihrem Schicksal umzugehen, besucht Angela eine Psychologin. „Es gibt Momente, da muss ich einfach weinen. Ich wollte nicht, dass meine Tochter mich dabei sieht, aber meine Psychologin sagt, es sei gut, meine Gefühle offen zu zeigen“, erklärt Angela unter Tränen.

Es gibt Momente, da muss ich einfach weinen.

Angela Adamo

Ihr Sohn Michelangelo kam am 9. Dezember auf die Welt. Seither kehrt der Alltag für Angela und ihre Kinder wieder ein. „Mit meiner Tochter habe ich erst vor wenigen Monaten angefangen, über den Unfall zu sprechen. Francesca weiß, dass ihr Papa oben im Himmel ist, zumindest erkläre ich es ihr so. Was sie damit anfängt, weiß ich nicht“, erzählt die zweifache Mutter. „Mein Sohn wird seinen Vater zwar nie kennenlernen, aber ich versuche viel von ihm zu erzählen, damit er weiß, wie sein Papa war.“ So bleibe der Vater immer präsent für die Familie.

Francesca weiß, dass ihr Papa oben im Himmel ist, zumindest erkläre ich es ihr so.

Angela Adamo

Es sei nichts mehr, wie es einmal war und ihr Leben wurde komplett auf den Kopf gestellt. Sie hat keinen Mann mehr, der ihr Liebe schenken kann, der sie aufmuntert. Seit dem Unfall, könne sie nicht mehr im gemeinsamen Ehebett schlafen. „Jahre lang war ich es gewohnt, mit meinem Partner einzuschlafen. Es fällt mir nun schwer, jede Nacht ohne ihn einschlafen zu müssen. Deshalb schlafe ich seither mit meiner Tochter auf der Couch“, so Angela. Ihre Familie und besonders ihre Mutter unterstützen sie sehr, aber ihr gewohntes Leben ist nicht mehr das Gleiche. Ihre Kinder geben ihr jedoch viel Kraft.

Angela wünscht sich, einen Weg zu finden, um die Trauer verarbeiten zu können. Sie will es ihren Kindern nicht schwer machen. Die psychologische Therapie helfe ihr aber, ihre Gefühle kontrollieren zu können. „Es tut gut mit einer Psychologin über den Unfall sprechen zu können. Mir hilft es sehr und ich werde die Therapie auf jeden Fall noch eine Weile in Anspruch nehmen“, erzählt Angela mit Blick in die Zukunft. Auch wenn die Trauer wohl für immer andauern würde, weiß sie, dass Michelangelo trotzdem immer bei ihnen im Herzen sein wird: „Für mich existiert mein Mann weiterhin. Ich weiß, dass er nicht mehr lebendig anwesend ist, aber er wird immer auf mich und unsere zwei Kinder aufpassen. Da bin ich mir sicher.“