„Kunst ist eine Sender-Empfänger-Situation,
in der man nicht so einfach von A nach B kommt.“
Die Kunst des Protests
Kunst ist nichts für schwache Nerven. Sie konfrontiert uns als Gesellschaft auf die intensivste Art und Weise mit Problemen und Erkenntnissen, die uns einschüchtern können. Wir werden gezwungen, unser Handeln, unser Inneres zu reflektieren und Denkanstöße anzunehmen. Ohne die Kunst wäre ein großer Teil des Protests nicht möglich. Ausdruck, Stärke und Realität lassen sich über diese abstrakten Ebenen am besten vermitteln. Skulpturen, wie von dem Künstler Jason deCaires Taylor, sollen auf den Klimawandel und unsere Umweltzerstörung aufmerksam machen. Er gestaltet Kunst unter Wasser, im offenen Meer und in der freien Natur. Riesige Skulpturen von Menschen werden im Wasser versenkt und gehören von da an dem Meer. Über und unter Wasser verschmelzen sie miteinander. Andere Künstler*innen nutzen ihr Talent, um Plakate zu entwerfen, die eine starke und eindeutige Bildsprache haben. Aktive Kunst lässt sich vor allem bei Demonstrationen und Kundgebungen einsetzen. In der folgenden Europakarte sind einige Standorte mit kurzen Informationen zu Kunstwerken und Ausstellungen gekennzeichnet.
Kunst und Mensch
Die Kunst ist ein enorm wichtiger Teil des Protests, sie gibt Anstöße zum Denken und zum Handeln. Mit der Kunst lassen sich mehr als nur Worte verarbeiten. Es gibt nicht ohne Grund das Sprichwort: „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.“ Doch ist es nicht allein ein Bild, das uns beeinflusst und zum Nachdenken anregt, sondern der Gesamteindruck von allem, was in dem Moment um uns herum passiert. So stoßen verschiedene Wirkungsweisen aufeinander. Wenn wir als Mensch aufgeschlossen für neue Erfahrungen sind, ist die Kunst mehr als nur ein „nettes Objekt“ zum Anschauen. Sie spricht unsere Emotionen an und vermittelt eine Botschaft, die sich dahinter verbirgt. Bei der Betrachtung nehmen Menschen jeweils etwas Unterschiedliches wahr, basierend auf ihren Vorerfahrungen. Dabei ist die Intensität der Wahrnehmung nicht garantiert. Es sind Informationen und Eindrücke, die dem Betrachter angeboten werden. Wie sie angenommen und mit eigenen Erfahrungen verknüpft werden, liegt bei jeder einzelnen Person.
Auch interessant
Protestkunst kann mehr als nur ein Werk sein
Der Begriff „Protestkunst“ ist sehr allgemein gehalten. Er lässt viel Raum für Interpretationen. Bernhard Serexhe, Kunsthistoriker und Kurator, sieht den Begriff kritisch. Er sieht einen größeren Sinn in Themenausstellungen. Bei diesen geht es nicht um ein einzelnes Kunstwerk, sondern um die Zusammenstellung der Kunst. Ein Thema wird von unterschiedlichen Richtungen und Blickwinkeln anhand von Kunstwerken beleuchtet. Diese verschiedenen Komponenten lassen sich besonders gut in der Exposition Global Control and Censorship (Globale Zensur und Überwachung; GCC) von Bernhard Serexhe erkennen. Die Zusammensetzung aus thematisch gewählten Kunstwerken aus aller Welt, das Design und die Architektur der Ausstellung potenzieren die Wirkung der Kunst auf den einzelnen Menschen. Diese Art lässt sich auch als Protest sehen, denn die Missstände werden in einem umfassenden Rahmen behandelt.
Die Kunst in der Ausstellung übermittelt verschiedenste Aspekte, die wir im Alltag übersehen oder als selbstverständlich erachten. Mit der Schau werden genau diese Faktoren in den Vordergrund gestellt und für die Betrachter*innen sichtbar und mit allen Sinnen wahrnehmbar. Besucher*innen der Ausstellung bringen unterschiedliche Erfahrungen mit und erleben so die ausgestellte Kunst ganz individuell. Themenausstellungen wie die GCC werden von Besucher*innen ganz unterschiedlich aufgefasst. Ein Werk zeigt die Möglichkeiten der Verfolgung von Instagram. Innerhalb von fünf Sekunden können gepostete Bilder geortet und aus demselben Winkel lokalisiert werden, dies versetzt die Besucher*innen in die direkte Lage der Überwachung. Einige reagieren darauf geschockt und andere wollen die eben erlebte Überwachung nicht wahrhaben. Die Kunst kann uns Gedankenanstöße und persönliches Erleben vermitteln, doch jede*r Einzelne muss für sich selbst entscheiden, welche Schlüsse aus den Erfahrungen gezogen werden können. So ist es bei jedem Thema und jeder Art des Protests.
Diese persönlichen Begegnungen mit der Kunst und anderen Menschen kann nicht durch ein virtuelles Bild auf einem Monitor ersetzt werden. Serexhe beschreibt dies als „Second-Hand-Erfahrung“, die Gedanken anregen kann, jedoch nichts als eigenes Erleben stattfindet lässt. Ausstellungen wie GCC sollen Auseinandersetzungen mit den Themen individuell wie auch gesellschaftlich anstoßen. Diese Art der Kunst kann viel mehr sein als nur ein schöner Tagesausflug. Die Sicht von Künstler*innen und ihre Interpretation ist wichtig, um Themen für die Gesellschaft greifbar und real zu machen. Nach der GCC in Bratislava kam es zu Protesten mit dem Rücktritt eines Politikers. Serexhe sieht einen Beitrag dafür in der Ausstellung. Es entstand ein Raum zur Auseinandersetzung mit den Problemen.
Weiter geht's mit der Kunst
Die Kunst im Bereich des Protests war und ist für unsere Gesellschaft wichtig. Sie gibt neue Anstöße und die Möglichkeit, Probleme und Themen von verschiedenen Seiten zu beleuchten. Die verschiedensten Ansichten werden den Menschen durch die Kunst zugänglich gemacht. Eigene Erfahrungen und das Erleben würden ohne die Kunst völlig verloren gehen bei nicht direkt greifbaren Themen.
„Die direkte persönliche Begegnung vor einem Kunstwerk kann nicht durch Bilder auf einem 8x10 Smartphone-Monitor ersetzt werden.“
Reale und digitale Kunst helfen uns zu verstehen. Digital hilft bei der Verbreitung und eine Plattform zu schaffen. Das reale Erleben zieht uns Besucher*innen und Interessierte in das Thema hinein. Verbreitung, Verstehen und Erleben sind wichtige Bestandteile bei Protesten und genau das erreicht die Kunst.