„Wir glauben fest an die Zukunft der Kinos.“
Keine Zeit zu sterben
Die Popcornmaschinen sind abgestellt, das Licht im Saal gelöscht und die Türen geschlossen. Die Kinobranche leidet seit Monaten unter den Coronaverordnungen. Mit dem Lockdown im März 2020 mussten die Kinos das erste Mal schließen. Nach einer kurzen Wiedereröffnung unter strengen Hygieneregeln wurden die Türen im November erneut verriegelt. Filmstarts wie der des neuen James Bond wurden wieder und wieder verschoben. Ursprünglich sollte „Keine Zeit zu sterben“ im April 2020 in die Kinos kommen, neuer Termin ist jetzt der 8. Oktober 2021. Ob die Ausstrahlung dann wirklich möglich ist, kann wohl niemand mit Sicherheit sagen.
Streaming statt Kino
Genau dagegen will die amerikanische Film- und Fernsehgesellschaft Warner Bros. jetzt vorgehen. Der Branchenriese will seine Filme 2021 gleichzeitig zum Kinostart streamen. Für circa einen Monat sind sie dann auf der konzerneigenen Streamingplattform HBO Max verfügbar. Damit bricht Warner Bros. mit den Gepflogenheiten der US-Filmindustrie. Doch so sollen Ansammlungen in Kinos vermieden werden und das Publikum kann in Ruhe von der eigenen Couch die Neuerscheinungen der Filmindustrie genießen. Eine Idee, die negative Folgen mit sich bringt. Nach der Ankündigung von Warner Bros. rutschten die Aktien der größten Kinokette AMC um neun Prozent ab.
Auswirkungen auf die deutsche Kinoindustrie hat die Idee bisher nicht, da der Streamingdienst HBO in Deutschland nicht verfügbar ist. Nicolas Geiger geht jedoch davon aus, dass die Idee früher oder später auch nach Deutschland kommen und die deutsche Kinobranche spalten wird. Gemeinsam mit seinem Vater leitet er einen Kino-Familienbetrieb in Pforzheim, zu dem das Cineplex und das Rex gehören. Die Idee von Warner Bros. sieht Geiger als schwierig an. Durch die Streaming-Idee entstehe ein Preiskampf. Die Kinos müssten ihre Preise an das Online-Angebot anpassen und verlieren die Exklusivität der gezeigten Filme. „Dem entgegenwirken kann man nur durch eine brancheninterne Lösung“, sagt Geiger.
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Kino als Kulturgut
Die Auswirkungen der Pandemie und die Streaming-Idee von Warner Bros. werfen eine Frage auf: Werden die Menschen in der Zukunft überhaupt noch ins Kino gehen oder wird das Streaming eine ganze Branche gefährden?
Samuel Soiné, Theaterleiter des Traumpalastes in Leonberg, sagt: „Dass Streaming im Trend liegt, ist nicht zu verleugnen, macht aber einem echten Kinofan keine Angst.“ Er ist der Meinung, dass das besondere Erlebnis auf einer Kinoleinwand durch keinen Streaming-Dienst zu ersetzen ist. Und auch die Bundesregierung möchte das Kulturgut Kino erhalten. In den letzten Monaten wurden mehrere Hilfspakete für die circa 1.700 deutschen Kinos verabschiedet. Das Hilfspaket „Zukunftsprogramm Kino I“ unterstützt ortsfeste Kinos finanziell mit 15 Millionen Euro. Das Hilfspaket „Zukunftsprogramm Kino 2“ sieht 40 Millionen Euro für den Kinosektor vor. Die Kinos sind auf jede Hilfe angewiesen. 2020 gab es 75 Prozent weniger Kinobesuche als im Vorjahr und durch die Abstandregelung konnten nur 20 Prozent der Sitzplätze in den Kinos belegt werden.
Die verschiedenen Überbrückungshilfen unterstützen kleine und mittelständische Kinos. Auch das Pforzheim-Kino erhielt die „Überbrückungshilfe I“, auf die „Überbrückungshilfe II“ sowie die „November-Dezember-Hilfe“ wartet Nicolas Geiger aktuell noch. Besonders im Sommer plagten das Kino finanzielle Sorgen und der Geschäftsleiter musste sich viel mit dem Insolvenzrecht beschäftigen. Gegenüber den Hilfspaketen bleibt er aber optimistisch: „Wenn die Hilfe irgendwann ankommt, werden wir mit einem blauen Auge davonkommen.“ Samuel Soiné betrachtet das Ganze eher kritisch: „Der Umgang seitens der Regierung mit Kulturschaffenden ist leider nicht sehr wertschätzend und oft fühlt man sich auch alleingelassen.“
Trotz der schwierigen Lage der Kinos schauen beide Kinobetreiber zuversichtlich in die Zukunft. Für Samuel Soiné liegt die Zukunft der Kinos darin, jedem Gast ein individuelles Programm und Vielfalt zu bieten. „Es hat etwas von Magie in ein schönes Kino zu kommen und den Geruch von frischem Popcorn zu riechen“, sagt er. Bild und Ton in großen Dimensionen seien in einem modernen Kino unschlagbar. Nicolas Geiger beschreibt Kino als ein Gemeinschaftserlebnis. „Man erlebt Emotionen zusammen in einem großen Saal und schaut den Film nicht alleine zuhause.“ Er ist sich sicher, dass die Kinos eine Zukunft haben. Deshalb ist es wichtig, den Kinofans auch während der Pandemie etwas zu bieten. Im vergangenen Sommer eröffnete Pforzheim ein Autokino, das gut angenommen wurde. Als Gag konnten die Kinofans 20 Kilo Säcke voll mit Popcorn kaufen.
Die größte Leinwand der Welt
Auch der Traumpalast in Leonberg hat sich für seine Gäste etwas ganz Besonderes überlegt. „Das Kino der Zukunft beginnt für uns mit dem neuen IMAX“, sagt Soiné. Das IMAX ist der neue Anbau am Traumpalast. Die Idee dafür stammt von Marius Lochmann, dem Geschäftsführer der Traumpalast Kinos. Neben einem Bowlingcenter und einem Kinosaal mit Doppelbetten statt Stühlen bietet das IMAX in Zukunft die größte Leinwand der Welt. Bis zu 600 Gäste passen in den Saal und können Filme auf einer Leinwand mit circa 38 Meter Breite genießen. Das entspricht ungefähr der Länge eines Handballfeldes.
Aktuell befindet sich das IMAX in der Innenausbauphase. Durch Corona sind der Zeitplan und die Entstehung des Traumpalast-Nachwuchses ins Stocken geraten. Geplant ist die Eröffnung im Sommer dieses Jahres – sollten die Coronaverordnungen bis dahin gelockert werden. Und dann steht den Gästen die Tür zu einem ganz neuen Kinoerlebnis offen. „Das IMAX lässt durch die Dimensionen der Leinwand keine Chance dem Bild zu entfliehen, man wird quasi in das Bild hineingesaugt“, sagt Soiné. Ein Gefühl, das man sich nicht nach Hause auf die Couch holen kann.