„Europa muss sich auf die natürlichen Gesetzmäßigkeiten einlassen und sich wieder mit Wildtierarten wie dem Wolf arrangieren.“
Die Rückkehr der Wölfe
Die Lämmer schreien nicht mehr – über Nacht wurde die beschauliche Kurstadt Bad Wildbad im Schwarzwald deutschlandweit bekannt. Schuld daran ist ein Wolf, der sich Zutritt zu einer Schafsweide verschafft hat. Das Resultat: 44 Schafe sind tot, entweder vom Wolf gerissen oder beim Fluchtversuch im anliegenden Bach ertrunken. Nicht jeder kann sich damit anfreunden, dass der Wolf wieder in den europäischen Wäldern lebt. Bei direkt betroffenen Personen wie den Bewohnern von Bad Wildbad gehen die Meinungen auseinander. Die einen sehen den Wolf als natürlichen Bestandteil der Wälder, andere sehen sich selbst und die Region in Gefahr.
Die Ursachen für die Rückkehr
Bevor im Mittelalter die Jagd auf den Wolf begann, war er in Europa weit verbreitet gewesen. Doch dann stellte das Tier eine Gefahr für die Landwirtschaft und somit für die Existenz der Bevölkerung dar. Über mehrere Jahrhunderte wurden die Wölfe gejagt und zum Großteil ausgerottet. Nur in Gebirgen wie in Russland oder Skandinavien gelang es ihnen, zu überleben. Seit einem europaweiten Beschluss aus dem Jahr 1979 stehen Wölfe unter Schutz und dürfen nicht mehr geschossen werden. Dazu kommen offene Grenzen und hohe Wildbestände, die es den Wölfen ermöglichen, neue Gebiete zu erkunden und sich mit anderen Populationen zu vermehren. Das hat dazu geführt, dass es heute wieder zwischen 15000 und 20000 Wölfe in Europa gibt.
Die aktuelle Lage der Wölfe in Europa
Hohe Wolfspopulationen gibt es im Balkangebiet. Dazu gehören die slawischen Länder wie zum Beispiel die Slowakei, Serbien, Kroatien oder Montenegro. Seit einigen Jahren hat sich der Wolf auch in Deutschland wieder angesiedelt. Die aus Polen eingewanderten Tiere leben hauptsächlich in den Wäldern Ostdeutschlands und breiten sich schnell in Richtung Westen aus. Doch nicht in jedem Land gilt dieselbe Gesetzestreue wie in Deutschland. In Ländern wie Frankreich, Spanien, Russland oder Norwegen kommt es vor, dass Wölfe erschossen werden, wenn sie in eine Schafsweide einbrechen.
Aufklärungsarbeit ist notwendig
Rüdiger Schmiedel ist Leiter des Wolf- und Bärenparks im Schwarzwald. Er ist der Meinung, dass die Debatte um die Rückkehr des Wolfs zu emotional geführt wird und dadurch die Tatsachen außer Acht gelassen werden. Laut Schmiedel hat der Wolf einen vorgesehenen Platz im Ökosystem der europäischen Wälder. Er reguliert auf natürliche Weise den Wildbestand, indem er kranke und verletzte Tiere aus einer Herde reißt. Somit werden nur die besten Gene weitergegeben. „Zudem ist der Wolf eine Art saubere Müllentsorgung, da er auch Kadaverreste frisst.“
Der Parkleiter kommt selbst aus der Landwirtschaft und versteht die Sorgen der Schäfer. Allerdings hat er eine klare Meinung, wenn es um die gerissenen Schafe geht. Wer Tiere hält, hat auch dafür zu sorgen, dass diese ausreichend gesichert sind. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern werden Nutztiere in Deutschland oft unzureichend geschützt. Schmiedel empfiehlt den Landwirten, ihre Weiden nicht in Ecken, sondern rund anzuordnen. Bei einem Wolfangriffs bleiben die Tiere dann nicht hilflos in der Ecke stehen, sondern können im Kreis davonrennen und haben eine höhere Überlebenschance. Entwarnung gibt er den besorgten Spaziergängern im Wald. Es sei nämlich so gut wie ausgeschlossen, in der Natur auf einen Wolf zu treffen. „Die Tiere sind scheu und weichen aus, sobald sie Menschen hören“, sagt Schmiedel. Ausnahmen können junge Wölfe sein, die neugierig sind, aber auch diese kommen dem Menschen im Normalfall nicht zu nahe.
Schmiedel ist sich sicher: Die Ausbreitung des Wolfs in Europa ist nicht aufzuhalten. „In Zukunft wird der Wolf wieder ein fester Bestandteil der europäischen Naturlandschaft werden.“ Wir sind nicht mehr im Mittelalter, als Wölfe getötet werden mussten, um zu überleben. Es ist nun Aufgabe der Menschen, sich daran zu gewöhnen.