Comeback einer einstigen Lokalmetropole?
Laut der Bundesagentur für Arbeit lag die Arbeitslosenquote Deutschlands in 2015 bei durchschnittlich 6,4 %. Dabei haben sich West- und Ostdeutschland stark unterschieden. Doch auch im arbeiterstarken Westen gibt es Regionen, die aus dem Trend fallen.
Die Stadt Pirmasens in der westlichen Pfalz liegt beispielsweise in einer Region mit relativ wenigen Arbeitslosen und sticht deshalb mit ihrer hohen Quote heraus. Diese liegt bei 12,9 % − mehr als das Doppelte des deutschen Durchschnitts.
Auch im Vergleich zu anderen Städten Deutschlands, die aufgrund ihrer Strukturdaten vergleichbar sind mit Pirmasens, wie z. B. Suhl, Emden oder Memmingen, weist die Stadt eine sichtlich höhere Arbeitslosenquote auf.
Aber wieso eigentlich?
Pirmasens war nicht immer Spitzenreiter der Arbeitslosenquote in Deutschland. Anfang des 20. Jahrhunderts boomte dort noch die Wirtschaft. Grund dafür: die Schuhindustrie! Laut einer Studie zum sektoralen Strukturwandel in den Agenturbezirken Kaiserslautern und Pirmasens gehörte die Region damals „zu den wichtigsten Standorten der deutschen Schuhindustrie”. Damit war für viele Arbeitsplätze gesorgt. Sogar Einwohner der ländlichen Gemeinden fanden in der wachsenden Industrie in Pirmasens Arbeit. Aus der Schuhbranche hat sich eine Monostruktur herausgebildet. Die Nachteile dieser industriellen Struktur waren erst ab Mitte des 20. Jahrhunderts spürbar. Die Hochkonjunktur musste einbüßen, als ausländische Konkurrenten anfingen, günstiger zu produzieren und somit die deutsche Schuhindustrie gefährdeten. Millionen von Menschen verloren ihren Arbeitsplatz in Folge der langfristigen Deindustrialisierung. Insgesamt sank die Zahl der Beschäftigten von über 30.000 im Jahr 1960 auf ein Neuntel mit ca. 3300 Beschäftigten. Die Verluste konnten nur teilweise durch Zuwächse im tertiären Sektor aufgefangen werden.
Aber nicht nur die Auslagerung der Schuhindustrie hat die wirtschaftlichen Folgen der Arbeitslosigkeit von Pirmasens maßgeblich beeinflusst. Laut Stefan Hell von dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufserforschung spielte hier auch die „Konversion” eine große Rolle. Der Begriff beschreibt den Rückzug des Militärs und die damit verbundenen Abzugsmaßnahmen aufgrund des Weggangs der Alliierten aus Deutschland. Mit mehr als sieben Militärflughäfen galt Rheinland-Pfalz bis vor knapp über 20 Jahren noch als „Flugzeugträger der NATO“. Besonders im südlichen Teil waren US- und französische Soldaten stationiert. Diese mieteten Häuser und Wohnungen, weshalb die Gemeinden von deren Anwesenheit wirtschaftlich profitierten. Die Streitkräfte waren außerdem ein wichtiger Arbeitgeber. Mit dem Ende des kalten Krieges wurden ehemalige militärische Anlagen für zivile Zwecke umgerüstet. Das hat vor allem eines bedeutet: Ein hoher Verlust von Arbeitsplätzen.
Eine weitere Auffälligkeit war Pirmasens’ relativ hoher Anteil an jungen Arbeitslosen – die Stadt liegt um zwei Prozent über dem deutschen Durchschnitt. Laut Herr Hell lässt sich das sich dadurch erklären, dass der größte Anteil der Arbeitslosen sogenannte Helfer sind. Als Helfer bezeichnet man Menschen ohne jeglichen Ausbildungsabschluss. Bei Menschen ohne einen Schulabschluss dagegen hat Pirmasens im Vergleich zu anderen rheinland-pfälzischen Städten den zweithöchsten Anteil, was wiederum als Indiz vieler junger Leute gilt, deren Chancen auf Arbeit nur sehr gering sind.
Weitere Folgen des Strukturwandels
„Schaut man sich die Beschäftigungsstruktur in Pirmasens an, so ist festzustellen, dass der Anteil an Akademiker-Jobs im Gegensatz zu den einfachen Jobs sehr niedrig ist”, so Stefan Hell. Das erklärt auch die niedrigen Gewerbeanmeldungen, die in der Region zu verzeichnen sind.
Pirmasens zeigt sich auch hier als wirtschaftlich schwaches Gebiet und verpasst mit einem gleichen Anteil an Gewerbeanmeldungen wie -abmeldungen die Expansion ihres Marktes. Deutlich im Gegensatz dazu steht die Stadt Mainz, die mit doppelt so vielen Anmeldungen wie Abmeldungen einen deutlichen Boom verzeichnet.
Wie eingangs erwähnt, kann Pirmasens also keine große Anzahl an „Top-Jobs“ anbieten, hält dafür aber einen Markt an einfachen Jobangeboten bereit. Die hohe Einpendlerquote lässt sich laut Herr Hell so erklären, dass Pirmasens trotz allem für ihren Umgebungskreis „das Oberzentrum” ist und deshalb viele Leute von den ländlichen Gebieten oder aber auch aus Städten im Umkreis nach Pirmasens pendeln.
Finanzielle Unterstützung vom Innenministerium
Die negativen Folgen des Strukturwandels sowie die damit verbundene Dringlichkeit von unterstützenden Maßnahmen ist dem Land aber durchaus bewusst. „Das Land weiß um die besonderen Herausforderungen in Pirmasens und stellt sich seiner Verantwortung“, betont Ministerpräsidentin Malu Dreyer gegenüber der rheinland-pfälzischen Landeszeitung.
Deshalb wird Pirmasens seit nun knapp 30 Jahren mit Förderungen im Millionenbetrag unterstützt. Hierfür werden unter anderem Gebäude saniert und Fachhochschulen angesiedelt. Das Innenministerium leistet finanzielle Hilfe, damit „die Stadt die Folgen des Konversions- und Strukturwandels erfolgreich meistern kann“, so auch Innenminister Roger Lewentz in der rheinland-pfälzischen Landeszeitung.
Schlussfolgernd lässt sich sagen, dass Pirmasens über viele Jahrzehnte hinweg vom Militär und ganz besonders der Schuhindustrie geprägt worden ist. Die damalige Krise zieht noch heute wirtschaftliche Kreise, was sich durch die hohe Arbeitslosigkeit und der langjährigen Bewältigung des Strukturwandels deutlich aufzeigt. Jedoch ist die einstige Lokalmetropole in der rheinländischen Pfalz auf einem guten Weg, dieses Ungleichgewicht durch Förderungen und Unterstützungsmaßnahmen wieder auszubalancieren und so möglichst bald zu alter Kraft zurückzukommen.